[nach oben]

II. Arbeitsrechtliche Fragen

1. Rechte und Pflichten der Beteiligten

a) Beteiligte

Hinsichtlich der beteiligten Personen ist lediglich der Fall zu betrachten, dass auf der Arbeitgeberseite eine Sozietät steht.

Wurde der Arbeitsvertrag mit der Sozietät als solcher abgeschlossen, so sind die einzelnen Sozien Arbeitgeber. Die Anwaltssozietät stellt nämlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar (113). Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind Arbeitgeber die einzelnen Gesellschafter (114). In der Regel wird man auch davon ausgehen können, dass der Sozius, der einen Anwalt einstellt, für die Sozietät handelt, d.h. die anderen Sozien insoweit vertritt. Es ist auch denkbar, dass der Arbeitsvertrag nur mit einem der Sozien zustande kommen soll. Dies muss aber - als Abweichung vom Regelfall - deutlich gemacht werden. Bei Bürogemeinschaften ist davon auszugehen, dass der einstellende Anwalt - sofern nichts anderes besprochen wird - nur für sich handelt. Volljuristen gehören nämlich nicht zu dem Personal, das sich in einer Bürogemeinschaft verbundene Anwälte gewöhnlich "teilen".

b) Arbeitgeberisches Weisungsrecht

Dem Arbeitgeber steht die sogenannte Leitungs- oder Weisungsbefugnis bzw. das Direktionsrecht bei der Ausführung der Arbeit zu (115).

Grundsätzlich ist zwar persönliche Abhängigkeit nicht gleichbedeutend mit Weisungsgebundenheit (116). Insbesondere sind Arbeitsverhältnisse mit einer eigenverantwortlichen Entscheidung von Arbeitnehmern nicht unvereinbar (117).

Es wird allerdings die Ansicht vertreten, ein vertraglicher Ausschluß der Weisungsrechte des Arbeitgebers beraube den Vertrag seines Charakters als Arbeitsvertrag (118). Diese Frage bedarf hier aber keiner Erörterung, denn ein vertraglicher Ausschluß der Weisungsrechte des Arbeitgeberanwalts scheint praktisch nicht vorzukommen, jedenfalls dann nicht, wenn die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gewollt ist, obwohl häufig der Arbeitnehmeranwalt faktisch weitgehend selbständig und eigenverantwortlich agieren kann. Wie noch dargelegt werden soll (119), dürfte es auch das Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber (120) und eine gewissenhafte Berufsausübung ( § 43 S. 1 BRAO) verbieten, dass der vom Mandanten beauftragte Arbeitgeberanwalt dem Arbeitnehmeranwalt die Bearbeitung und Wahrnehmung des Mandats völlig überlässt, ohne sich die Erteilung von Weisungen für den Fall, dass er sie für notwendig erachtet, vorzubehalten.

Geht man davon aus, dass grundsätzlich ein arbeitgeberisches Weisungsrecht besteht, so sind dessen Grenzen zu bestimmen. Im folgenden sollen diejenigen besonderen Grenzen des Weisungsrechts aufgezeigt werden, die sich daraus ergeben, dass die Parteien des Arbeitverhältnisses Rechtsanwälte sind und anwaltliche Tätigkeit geleistet werden soll.

aa) Weisungen, die standeswidriges Verhalten fordern

Weisungen, deren Befolgung den Arbeitnehmer dem Vorwurf standeswidrigen Verhaltens aussetzen würden und die somit ein standeswidriges Verhalten des Arbeitnehmeranwalts fordern, sind vom Direktionsrecht des Arbeitgeberanwalts nicht gedeckt. Sie sind für den Arbeitnehmeranwalt arbeitsrechtlich unverbindlich, denn das Standesrecht verbietet ihm sie zu befolgen. Der Arbeitnehmer ist nämlich nicht verpflichtet, gesetzlich verbotene oder sittenwidrige Arbeit zu leisten (121). Zum Schändlichen ist niemand verpflichtet (122); was das Gesetz oder die guten Sitten verbieten, kann der Arbeitgeber also nicht verlangen. Diese Aussagen können aus dem Gedanken der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung abgeleitet werden (123). Der Arbeitgeberanwalt setzt sich sogar, wie auch aus § 83 I 2 Rili hervorgeht, selbst dem Vorwurf standeswidrigen Verhaltens aus, wenn er ein solches von seinem Mitarbeiter fordert (124).

bb) Weisungen, deren Ausführung in der Person des Arbeitgeberanwalts Standeswidrigkeiten begründen

Auch eine Weisung, deren Ausführung in der Person des Arbeitgebersanwalts eine Standeswidrigkeit begründet, ist für den Arbeitnehmeranwalt arbeitsrechtlich unverbindlich. Standeswidriges Verhalten, auch eines einzelnen Kollegen, beeinträchtigt grundsätzlich die Achtung und die Vertrauenswürdigkeit (vergl. § 43 S.2 BRAO) des gesamten Standes. Achtung und Vertrauen sind aber die Grundlagen anwaltlicher Arbeit (125). Der Arbeitnehmeranwalt braucht (und darf) aber nicht dazu beitragen, dass die Basis seiner Tätigkeit als Anwalt unterminiert wird.

Zudem liegt es nahe, dass der Vorwurf erhoben werden könnte, der Arbeitnehmeranwalt habe sich durch die Beteiligung an der Standeswidrigkeit des Arbeitgeberanwalts auch selbst standeswidrig verhalten.

cc) Fachliche Weisungen

Fraglich ist, inwieweit die anwaltliche Unabhängigkeit den Arbeitnehmeranwalt von der Befolgung fachlicher Weisungen freistellt.

Knief ist der Auffassung, der dienstverpflichtete Anwalt sei im fachlichen Bereich weisungsfrei (126). Sie führt aus, ein Rechtsanwalt könne nicht angewiesen werden, in einer konkreten Rechtsfrage bestimmter Auffassung zu sein, weil Wissenschaft generell nicht dirigierbar sei (127) und die letztlich allein seinem Gewissen und seiner Überzeugung unterworfene Entscheidung ähnlich wie die des Arztes dem Beruf des Anwalts wesensimmanent sei (126).

Auch Feuerich meint, insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen unter Anwälten sei zu berücksichtigen, dass es sich beim angestellten Rechtsanwalt um ein unabhängiges Organ der Rechtspflege handelt, dessen sachliche Freiheit durch den Beschäftigungsvertrag gewährleistet sein müsse (128).

Dafür könnte auch die Forderung sprechen, der Rechtsanwalt müsse sich auch die innere Unabhängigkeit wahren (129).

Herschel schwebt zu dieser Frage offenbar eine differenzierte Lösung vor, wenn er ausführt, ein Rechtsanwalt sei zwar beispielsweise verpflichtet, weisungsgemäß eine Klage zu entwerfen, er habe aber das Recht, seine Unterschrift zu verweigern (130).

Der wissenschaftliche Charakter anwaltlicher Arbeit schließt meiner Ansicht nach die Möglichkeit fachlicher Weisungen nicht aus. Auch geisteswissenschaftliche Arbeit ist grundsätzlich lenkbar. Dies beweist insbesondere der Arbeitsstil der Kollegialgerichte. Seit langer Zeit entwickelte Arbeitstechniken - Relation, Vortrag etc.- erlauben es den übrigen Mitgliedern die Leistung des berichterstattenden Kollegen einer fachlichen Kritik zu unterziehen und über die weitere Sachbehandlung eine Entscheidung zu treffen, die auch vom Vorschlag der Berichterstatters abweichen kann. Die Arbeitstechniken, die dies dem Gericht ermöglichen, lassen sich - mit geringfügigen Modifikationen - auch auf die anwaltliche Praxis übertragen.

Auch der Staatsanwalt, dessen Tätigkeit geistiger, wissenschaftlicher Charakter nicht abgesprochen werden kann, ist grundsätzlich weisungsgebunden ( § 146 GVG), auch wenn seitens der Vorgesetzten von der Weisungsbefugnis nur sparsamer Gebrauch gemacht werden soll.

Auch, wenn man mit dem Bundesarbeitsgericht der Ansicht ist, aufgrund der wissenschaftlichen Arbeitsaufgabe, die schöpferische Initiative und Eigenverantwortung voraussetzen soll, sei die Möglichkeit fachlicher Weisungen regelmäßig begrenzt (131), so kann man dennoch nicht sagen, dass diese Möglichkeit jedenfalls grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Es obliegt dem Arbeitgeberanwalt sicherlich auch, die geistige Unabhängigkeit seines Arbeitnehmers zu respektieren und zu fördern.

Auf der anderen Seite hat er aber auch die zivil- und standesrechtliche Pflicht, die Angelegenheit des Mandanten so zu bearbeiten bzw. bearbeiten zu lassen, wie es seiner Auffassung nach optimal ist. Die fachliche Auffassung des vom Mandanten beauftragten Arbeitgeberanwalts muss daher im Zweifelsfalle den Ausschlag geben. Der Ausschluss fachlicher Weisungen würde also im Ergebnis dazu führen, dass der Arbeitgeberanwalt bei fachlichen Differenzen gezwungen wäre, dem Arbeitnehmeranwalt die Sache zu entziehen und entweder selbst zu bearbeiten oder an einem anderen Arbeitnehmeranwalt, der mit ihm insoweit konform geht, zu übertragen.

Ohne die geistige Unabhängigkeit gering schätzen zu wollen, erscheint mir dies im Ergebnis übertrieben.

Die Unabhängigkeit in geistiger Hinsicht ist wie die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in sonstiger Hinsicht weder Selbstzweck noch Dogma (132). Arbeitgeberische Weisungen lassen die "Gedankenfreiheit" des angestellten Anwalts grundsätzlich unberührt. Dass er auf Weisung des Arbeitgebers seine Gedanken auf bestimmte, vorgegebene Gegenstände zu konzentrieren hat, belastet ihn prinzipiell nicht mehr als jeden anderen, der geistige Arbeit zu seinem "Brotberuf" gemacht hat.

Erst wenn der Arbeitnehmeranwalt sich auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten, von ihm abgelehnten Auffassungen nach außen hin "bekennen" soll, wird seine Freiheit stärker eingeschränkt, als die eines selbständigen Anwalts, der durch den Mandanten hierzu grundsätzlich nicht gezwungen werden kann.

Der bei Herschel zum Ausdruck gekommenen Auffassung ist daher zu folgen.

Solange sich die Tätigkeit des Arbeitnehmeranwalts auf ein internes Zuarbeiten beschränkt und der Arbeitgeberanwalt nach außen hin die anwaltliche Verantwortung für das Ergebnis übernimmt, unterliegt der Arbeitnehmeranwalt also auch einem fachlichen Weisungsrecht. Er ist also z.B. verpflichtet, auch Nachweise und Argumente für eine von ihm abgelehnte Ansicht zusammenzustellen, einen Schriftsatzentwurf auf dieser Grundlage zu erstellen oder einen Sachverhalt unter Zugrundelegung einer von ihm abgelehnten Auffassung zu begutachten. Angesichts der Zweifelhaftigkeit mancher rechtswissenschaftlichen Problemlösung dürfte hierin in der Regel nicht einmal eine geistige Zumutung liegen. Auch der Berichterstatter eines Kollegialgerichts muss schließlich eine Entscheidung entwerfen, die in Tenor oder Gründen seiner Auffassung nicht entspricht, ohne dass bislang hieran eine Beeinträchtigung richterlicher Unabhängigkeit gesehen worden wäre (133). Erst in ganz extremen Fällen vermag der Gesichtspunkt der Gewissensnot (134) dem Weisungsrecht des Arbeitgeberanwalts hier eine Schranke zu setzen.

Fachliche Weisungen, die ein nach außen gerichtetes Verhalten zum Inhalt haben, darf der Arbeitnehmeranwalt zurückweisen. Dies gilt jedenfalls solange, wie dem Arbeitgeberanwalt dann noch die Möglichkeit bleibt, seine Tätigkeit zu ersetzen. Nach außen hin wird auch der angestellte Anwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege und in Ausübung eines freien Berufes tätig; von ihm wird erwartet, dass er mit seiner Persönlichkeit hinter dem steht, was er als Anwalt tut, und hierfür die persönliche und moralische Verantwortung (135) übernimmt. Eine derartige Verantwortlichkeit kann aber nicht vom Arbeitgeber durch Weisung erzwungen werden. Sie muss Ausdruck der Selbstverantwortung sein. Eigenverantwortliches Handeln ist Bestandteil des insbesondere in § § 1, 2 I BRAO normierten Berufsbildes des Rechtsanwalts (136). In diese Selbstverantwortung setzen die Allgemeinheit, die Kollegen und die übrigen Organe der Rechtspflege sowie Behörden ihr durch § 43 S. 2 BRAO geschütztes Vertrauen. Dieses Vertrauen würde beeinträchtigt, wenn das Verhalten eines Rechtsanwalts in der Öffentlichkeit, bei einem Kollegen, einem Gericht oder einer Behörde den Eindruck aufkommen ließe, er stände nicht hinter dem, was er sagt und tut.

Erst recht würde dann das Vertrauen der Rechtsuchenden erschüttert, für die der Rechtsanwalt Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit und nicht Servilität zu verkörpern hat.

Zwar muss auch das in der Beratung unterlegene Mitglied eines Kollegialgerichtes das seiner Auffassung nicht entsprechende Urteil unterschreiben. Diese Unterschrift hat aber eine andere Bedeutung. Sie drückt nämlich lediglich aus, dass das Urteil auf rechtmäßige Weise zustande gekommen ist, nicht aber, dass alle Unterschreibenden mit seinem Inhalt einverstanden sind. Demgegenüber erbringt die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts den Nachweis dafür, dass dieser die eigene Verantwortung für den Schriftsatz übernehme (135).

Begründen lässt sich dieses Ergebnis auf unterschiedliche Weise.

Reuter (137) vertritt in Anlehnung an entsprechende beamtenrechtliche Lehren die Auffassung, Weisungen, die in die persönliche Rechtsstellung des Arbeitnehmers eingreifen, seien durch das arbeitgeberische Weisungsrecht nicht gedeckt. Er begründet dies damit, dass in diesem Fall die Folgen einer derartigen Weisung am Arbeitnehmer "hängen bleiben" und er sie nicht auf den Arbeitgeber abwälzen kann, während er ansonsten die negativen Folgen willkürlicher Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber dadurch auf diesen abwälzen kann, dass dieser das Risiko des Misserfolges der Arbeit trägt.

Fachliche Weisungen, die ein nach außen gerichtetes Verhalten des Arbeitnehmeranwalts zum Inhalt haben, greifen - wie dargetan - in dessen persönliche Rechtsstellung als Rechtsanwalt ein.

Man kann auch sagen, dass eine derartige Weisung nicht der Billigkeit entspricht. Nach wohl herrschender Auffassung darf das arbeitgeberische Weisungsrecht gemäß § 315 I BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden, da der Arbeitgeber hierdurch einseitig die Leistungspflicht des Arbeitnehmers bestimmt (138).

Folgt man dieser Auffassung, so muss man die in Rede stehende Weisung deshalb als unbillig und damit unverbindlich anzusehen, weil der angestellte Anwalt gegen seine Willen eine Verantwortung übernehmen soll, die ihre Begründung aber in der Annahme seiner Entscheidungsfreiheit findet.

Es lässt sich in Anlehnung an konstruktive Überlegungen von Molitor (139) annehmen, das Weisungsrecht wie auch die Weisung seien hier insofern doppelt bedingt, als dass sich der Arbeitnehmer ausbedungen habe, der Arbeitgeber dürfe derartige sachliche Weisungen nur unter Vorbehalt erteilen. Auch bei dieser Konstruktion ergäbe sich das Recht des Arbeitnehmers, die von ihr erfassten Weisungen des Arbeitgebers zurückweisen zu können. Aufgrund der zuvor angeführten Umstände kann man zu der Annahme gelangen, es sei von vornherein nach § 157 BGB Inhalt des Anstellungsvertrages, dass der Arbeitgeberanwalt Weisungen, die ein nach außen gerichtetes Verhalten zum Inhalt haben, nur unter dem Vorbehalt erteilen darf, dass der Arbeitnehmeranwalt bereit ist, die aus der Ausführung dieser Weisung sich ergebende persönliche Verantwortung zu übernehmen.

Schließlich kann man daran denken, aus § § 1, 3 I BRAO - eventuell in Verbindung mit § 43 BRAO - ein grundsätzliches Verbot der Beeinträchtigung der Eigenverantwortung des Anwalts beim Handeln nach außen abzuleiten, das nach § 138 BGB zur Unwirksamkeit entgegenstehender Weisungen führt.

Die aufgeführten Begründungen führen im Ergebnis dazu, dass der Arbeitnehmeranwalt fachliche Weisungen, die ein nach außen gerichtetes Verhalten zum Inhalt haben, nur dann auszuführen braucht, wenn er sich in der Lage sieht, die mit der Ausführung der Weisung verbundene persönliche Verantwortung zu übernehmen.

Da er hierzu aber in der Regel bereit sein wird, weil er mit der der Weisung zugrundeliegenden sachlichen Beurteilung des Arbeitgeberanwalts konform gehen oder sie zumindest für auch durch ihn vertretbar halten wird, hat er die Pflicht, den Arbeitgeberanwalt darauf hinzuweisen, wenn dies ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein sollte, und die entsprechende Weisung ausdrücklich zurückzuweisen.

Im einzelnen folgt aus dem bisher Dargestellten, dass der Arbeitgeberanwalt den Angestellten gegen dessen erklärtem Willen weder zu einer Unterschrift anweisen, noch ihm hinsichtlich des Auftretens vor Gericht oder des Verhaltens gegenüber Kollegen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben darf. Auch Weisungen hinsichtlich des Inhalts der Beratung von Mandanten darf der Arbeitnehmeranwalt zurückweisen.

Problematisch wird die Situation dann, wenn der Arbeitnehmeranwalt eine derartige Weisung erhält, mit ihr nicht einverstanden ist, aber der Arbeitgeber nicht die Möglichkeit hat, seine Tätigkeit zu substituieren. Selbstverständlich gilt hier zunächst, dass beide Parteien die Pflicht haben, ihr Möglichstes zu tun, um eine solche Situation zu vermeiden.

Tritt eine derartige Situation dennoch einmal ein, so gebietet es meiner Ansicht nach die Achtung vor der Entscheidung des Mandanten, mit der dieser den Arbeitgeberanwalt bzw. der Arbeitgebersozietät die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut hat, ausnahmsweise die Verantwortung für fremdbestimmtes Verhalten zu übernehmen und den Willen des Arbeitgebers Folge zu leisten, da andernfalls die unmittelbare Gefahr besteht, dass der Mandant in seinem Vertrauen enttäuscht und dadurch das Ansehen der Anwaltschaft beeinträchtigt wird. Auch trägt der Arbeitgeber die haftungsrechtliche Verantwortung gegenüber dem Mandanten für Verhalten des Arbeitnehmeranwalts. Auch hierauf hat der angestellte Anwalt Rücksicht zu nehmen. Die Entscheidung dessen, der auch die Verantwortung gegenüber den Rechtsuchenden trägt, ist daher von ihm zu respektieren. Seine ideellen Interessen haben also demgegenüber im unausweichlichen Konfliktfalle zurückzutreten.

Auch hier kann es aber zugegebenermaßen Ausnahmefälle geben, in denen die moralische Verantwortung so schwer wiegt, dass eine abweichende Beurteilung indiziert ist. Dann wird sich aber wohl auch die Frage stellen, ob hier nicht die Befolgung der Weisung den Arbeitnehmeranwalt dem Vorwurf standeswidrigen Verhaltens aussetzen würde, und er sie deshalb nicht zu befolgen braucht.

dd) Sonstige Weisungen

Grundsätzlich - d.h. in den allgemeinen und den dargelegten besonderen Grenzen - ist der angestellte Anwalt nach Zeit, Ort, Art und Inhalt seiner Tätigkeit dem Direktionsrecht des Prinzipals unterworfen.

Demgemäß hat er die ihm übertragenen Rechtssachen zur Bearbeitung zu übernehmen und muss die ihm zugeteilten Termine wahrnehmen, auch wenn er sich um Sachen von Kollegen handelt. Er ist arbeitszeitlich gebunden und hat die festgesetzte Sprechstunde pünktlich zu absolvieren. Einem Verlangen auf Schriftsatzvorlage hat er nachzukommen. Er hat am zugewiesenen Arbeitsplatz tätig zu werden und muss gegebenenfalls die ihm zugeteilten Büro- und Hilfskräfte hinnehmen. Schließlich muss er auch hinsichtlich der zeitlichen Festlegung seines Urlaubs auf ein Einvernehmen mit seinem Arbeitgeber abzielen. (140)

ee) Einschränkung des Weisungsrechts

Selbstverständlich ist es arbeitsrechtlich möglich, das arbeitgeberische Weisungsrecht vertraglich zu beschränken. Allerdings sind dieser Möglichkeit - wie bereits erwähnt (141) - standesrechtliche Grenzen gesetzt, auf welche noch näher einzugehen ist (142).

ff) Pflicht zur Nachfrage nach Weisungen

Mit dem Weisungsrecht des Prinzipalanwalts korrespondiert schließlich gegebenenfalls die Verpflichtung des angestellten Anwalts, in problematischen Fällen von sich aus um eine Weisung des Prinzipals nachzusuchen.

c) Beschäftigungspflicht

Nach dem geltenden Arbeitsvertragsrecht hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nicht nur einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, sondern auch das Recht, von diesem vertragsgemäße Beschäftigung zu verlangen (143). Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt (144). Dieser arbeitnehmerische Anspruch ist aus § § 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB abzuleiten, wobei die Generalklausel des § 242 BGB durch die Wertentscheidung der Artt. 1, 2 GG ausgefüllt wird (145).

Der Beschäftigungsanspruch muss allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (146). Wenn der Arbeitgeber wegen im Einzelfall entgegenstehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdig ist und überwiegt (147). Dabei ist eine sorgfältige Prüfung geboten (148). Hierbei kann sich auf Seiten des Arbeitnehmers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse im Einzelfall noch durch besondere Interessen ideeller und / oder materieller Art verstärken (147).

Als derartige besondere Interessen nennt der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts beispielhaft die Geltung in der Berufswelt, die Ausbildung und die Erhaltung von Fachkenntnissen (149). Das Bundesarbeitsgericht weist freilich in einer anderen Entscheidung darauf hin, dass während des Laufs einer Kündigungsfrist häufig keine nennenswerten Beschäftigungsinteressen bestehen, weil die betroffenen Arbeitnehmer sehr oft eine Freistellung in dieser Zeit als vorteilhaft empfinden, da ihnen der Wechsel des Arbeitsplatzes dadurch wesentlich erleichtert wird (150).

Folgende Gesichtspunkte, die sich aus den Besonderheiten eines Beschäftigungsverhältnisses unter Rechtsanwälten ergeben, können bei der Interessenabwägung erheblich sein.

Wie bereits dargestellt (151) ist der Anwaltsberuf ein Beruf, der besonderes Vertrauen erfordert. Das Vertrauen, das die Angehörigen der anderen Organe der Rechtspflege oder Behörden, die Kollegenschaft und die Mandantschaft in den Anwalt setzen, findet seine Fortsetzung in der Notwendigkeit eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arbeitgeberanwalt und seinem Angestellten. Jede Störung dieses Vertrauensverhältnis ist daher besonders schwerwiegend und kann ein besonderes Interesse des Arbeitgeberanwalts an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmeranwalts - insbesondere nach Kündigung desselben aufgrund dieser Störung - begründen.

Ein besonderes arbeitnehmerisches Interesse im Sinne der genannten Rechtsprechung an der Beschäftigung hat vor allem der jüngere angestellte Anwalt, der - dem Rat erfahrener Kollegen folgend (152) - zunächst in einem Angestelltenverhältnis die zur Berufsausübung notwendige praktische Erfahrung sammeln will.

Auch kann der angestellte Anwalt ein berücksichtigungswürdiges Interesse daran haben, seine Kanzleipflicht in den Büroräumen des Arbeitgeberanwalts zu erfüllen (153).

Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass ein Anwalt seinen Beruf tatsächlich ausübt. Die Bundesrechtsanwaltsordnung will keinen bloßen "Titular"-Anwalt (regelbestätigende Ausnahme: § 17 II BRAO) (154). Die Zulassung eines Anwalts erfolgt im Interesse der Rechtspflege.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der einmal zugelassene Rechtsanwalt zwar kraft der ihm gesetzlich garantierten Freiheit und Unabhängigkeit der Berufsausübung eigenverantwortlich und nach eigenem Ermessen darüber befinden könne, welche Aufträge auf dem Gebiet der Rechtsberatung und -vertretung er annehmen will und ob er - gleich aus welchen Gründen, auf kürzere oder längere Dauer - überhaupt Aufträge von Rechtsuchenden entgegennehmen will (155). Der gleiche Senat entschied aber auch, dass eine Person nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden könne, die nicht in der Lage ist, den Anwaltsberuf in einem nicht unerheblichen Maße auszuüben (156).

Dies zeigt, dass die Allgemeinheit ein erhebliches Interesse daran hat, dass der zugelassene Rechtsanwalt seinen Beruf auch ausübt; er muss zumindest dazu in der Lage sein, andernfalls ist seine Zulassung gefährdet (§§ 7 Nr. 8, 15 Nr. 2, 35 I Nr. 5 i.V.m. 14 I Nr. 7 BRAO (157)).

Der angestellte Anwalt hat sich oftmals darauf eingrichtet, seinen Beruf in der Kanzlei seines Arbeitgebers auszuüben. Er ist daher häufig nicht in der Lage alsbald anderwärtig der rechtspflegenden Tätigkeit nachzugehen. In diesem Fall hat er ebenfalls ein besonderes Interesse an der Beschäftigung in der Kanzlei des Arbeitgeberanwalts.

Diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeberanwalt den Angestellten während des (unstreitig) bestehenden Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zu beschäftigen hat, es sei denn, es lägen ausnahmsweise solche Umstände vor, die ihn berechtigten, den Arbeitnehmer vorläufig zu suspendieren (158). Als derartige Umstände kommeen nach dem Gesagten vor alle gewichtige Vorkommnisse im Vertrauensbereich in Betracht.

Gleiches gilt nach einer Kündigung, wenn im Kündigungsschutzprozess ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt (159), oder wenn die umstrittene Kündigung offensichtlich unwirksam ist (160).

Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung soll die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses bis zum Erlass eines derartigen Urteils ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses begründen (160). Die den Arbeitgeber bei von ihm letztlich gewonnenem Kündigungsprozess aus der dann rechtsgrundlos vollzogenen Beschäftigung des Arbeitnehmers treffen- den Nachteile sollen im allgemeinen schwerwiegender sein als die Nachteile des Arbeitnehmers, die dieser durch ein zeitweiliges Unterbleiben der Beschäftigung erleidet (161). Das kann aber nur solange gelten, wie nur ein allgemeines ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner (Weiter-)Beschäftigung in die Waagschale zu werfen ist (162). Erfüllt der Arbeitnehmeranwalt aber seine Kanzleipflicht in den Büroräumen des Arbeitgebers und übt nur dort seinen Beruf als Anwalt aus, so hat er ein zusätzliches besonderes Interesse daran, dass ihm diese Möglichkeit erhalten bleibt. Darum wird man dann auch eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgeberanwalts in diesem Zeitraum bejahen müssen - es sei denn, es lägen ausnahmsweise Umstände vor, die ihn berechtigen, den Arbeitnehmer, vorläufig zu suspendieren -, jedenfalls solange bis ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Wirksamkeit der Kündigung feststellt.

d) Nebenbeschäftigung
aa) Grundsatz

Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitnehmer grundsätzlich seinem Arbeitgeber keinen Wettbewerb machen (163). Dies folgt aus der Treuepflicht der Arbeitnehmers, welche ihm gebietet, sich für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist (164). Insbesondere darf der Arbeitnehmer Dienste und Leistungen nicht im Marktbereich seines Arbeitgebers anbieten (165) ). Der Arbeitsvertrag schließt für die Dauer seines Bestandes ein derartiges Wettbewerbsverbot ein und zwar über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus, welcher einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der seine Grundlage in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat (166) ). Mit der Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers im Marktbereich des Arbeitgebers soll erreicht werden, dass dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offen steht (167) ).

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen dieses Wettbewerbsverbot, stehen dem Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung, Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz wegen Vertragsverletzung und auf Herausgabe des durch die vertragswidrige Handlungsweise Erlangten zu (168) ).

Die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers ist nur dann keine Vertragsverletzung, wenn der Arbeitgeber ihr zugestimmt hat (169) ); gegebenenfalls ist § 60 II HGB analog anwendbar.

Zunächst hatte der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Kündigungsschutzprozess wegen einer ordentlichen Kündigung entschieden, der Arbeitnehmer habe im Streitfalle zu beweisen, dass ihm die Konkurrenztätigkeit gestattet war (170). Auch das OLG Düsseldorf legte dem Dienstverpflichteten die Darlegungs- und Beweislast für die Zustimmung des Dienstherrn zur Konkurrenztätigkeit auf (171).

Der nunmehr allein zuständige 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschied jüngst, die bisherige Auffassung werde insoweit aufgegeben, als sie sich auf die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung bezieht (172). Bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB wegen einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit trifft danach den kündigenden Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die die vom Gekündigten behauptete Rechtfertigung durch Einwilligung ausschließen (172). Der Arbeitnehmer hat allerdings substantiiert die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die behauptete und bestrittene Einwilligung des Arbeitgebers ergeben soll, denn dieser braucht nicht von vornherein alle nur erdenkbaren Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen, der Umfang seiner konkreten Darlegungs- und Beweisführungslast richtet sich vielmehr danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die geltend gemachten Kündigungsgründe einlässt (173).

bb) Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis unter Rechtsanwälten

Diese Grundsätze gelten auch im Angestelltenverhältnis zwischen Rechtsanwälten. Als irrig hat das OLG Düsseldorf - richtigerweise - insbesondere die Ansicht bezeichnet, Nebentätigkeiten wie die Führung eigener Mandate seien dem angestellten Anwalt grundsätzlich immer dann erlaubt, wenn sie ihm nicht ausdrücklich verboten worden seien. Eine derartige Übung existiert nämlich auch auf dem Gebiet der Anwaltsdienstverträge nicht. Vor allem ein Wettbewerb hinter dem Rücken und ohne Wissen des Arbeitgeberanwalts begründet die Gefahr nachteiliger, zweifelhafter undzwielichtiger Beeinflussung potentieller oder tatsächlicher Mandanten des arbeitgebenden Rechtsanwalts. (174)

Der angestellte Anwalt kann jedoch zur anwaltlichen Tätigkeit verpflichtet sein, etwa aufgrund der Pflicht zur Übernahme der Prozessvertretung gemäß § 48 BRAO, der Pflicht zur Verteidigung oder Beistandsleistung gemäß § 49 BRAO, einer Beiordnung nach § 34 a EGGVG oder z.B. gemäß § 15 PsychKG NW (175). Nach diesen Vorschriften wird der Anwalt im öffentlichen Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege in Dienst genommen (176). Der hieraus resultierende besondere Pflichtenkreis ist Folge der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.

Soweit der angestellte Anwalt aufgrund der vorgenannten oder ähnlicher Vorschriften zum Tätigwerden verpflichtet ist, ist die möglicherweise darin zu sehende Konkurrenz als erlaubt anzusehen. Der Arbeitgeberanwalt hat den Angestellten sogar zur Durchführung der auferlegten Tätigkeit freizustellen; der Arbeitnehmeranwalt hat allerdings die Pflicht - soweit möglich - seine Entpflichtung zu veranlassen, sofern es die ihm als Angestellten übertragenen Besorgungen erfordern.

Fraglich ist lediglich, ob er das Entgelt für diese Tätigkeit behalten darf oder an den Arbeitgeberanwalt abzuführen hat. Bedenken dagegen, dass die Beteiligten eine Abführungspflicht des Arbeitnehmeranwalts vereinbaren, bestehen grundsätzlich nicht. Schließlich trägt der Arbeitgeber die mit der notwendigen Freistellung verbundenen Nachteile; ihm dafür einen Ausgleich zu gewähren, ist dann nicht unbillig, wenn er während dieser Zeit dem Angestellten das Gehalt ohne Abzüge weiter bezahlt. In einer derartigen Konstellation wird es der Arbeitgeberanwalt auch oftmals befürworten, wenn sich sein Arbeitnehmer für die Übernahme von derartigen Pflichtaufgaben zur Verfügung stellt.

Ist zwischen den Beteiligten diesbezüglich nichts vereinbart, so ist die Vertragslücke dahingehend auszufüllen, dass der Arbeitnehmeranwalt die Vergütung für die ihm auferlegte Tätigkeit behalten darf, die ihm vom Arbeitgeber aber gegebenenfalls zu gewährende Freistellung unbezahlt bleibt.

Nach den gleichen Grundsätzen wird man auch die Einkünfte aus einer sonstigen, berufsbezogenen Nebentätigkeit zu behandeln haben, beispielsweise die Honorare aus einer (fach)schriftstellerischen Tätigkeit. (177).

Der angestellte Anwalt kann unter den nachfolgend beschriebenen Umständen eine Gestattung zur Erledigung eigener Mandate außerhalb der arbeitgeberischen Praxis erreichen.

Wenn dem Arbeitnehmeranwalt von der zuständigen Behörde keine Befreiung von der Kanzleipflicht nach § 29 I 1 BRAO gewährt wird, muss er, will er seine Zulassung als Rechtsanwalt nicht nach §§ 35 I Nr. 2 oder 5, 14 I Nr. 7 BRAO verlieren (178), eine Kanzlei errichten. Gestattet ihm der Arbeitgeberanwalt nicht, diese Kanzlei in den arbeitgeberischen Büroräumen zu betreiben (179), muss der Arbeitnehmeranwalt also anderswo eine eigene Kanzlei errichten (180). Eine Scheinsozietät mit dem Arbeitgeber ist ihm nämlich wegen der damit verbundenen Haftung (181) unzumutbar.

Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet, Aufträge von Rechtsuchenden entgegenzunehmen (182), sofern er nach den oben genannten Vorschriften nicht ausnahmsweise zum Tätigwerden gezwungen ist. Die Errichtung einer Kanzlei ist aber mit einem nicht unerheblichen, auch laufenden finanziellen Aufwand verbunden (183). Schon aus diesem Grunde muss der Arbeitgeberanwalt billigerweise dem Arbeitnehmeranwalt gestatten, in dieser Kanzlei eigene Mandate zu erledigen, damit er den Aufwand dadurch decken kann, es sei denn, der Arbeitgeberanwalt würde ihm diesen Aufwand ersetzen.

Die Frage, in welcher Form der angestellte Anwalt seine Kanzleipflicht erfüllen soll und inwieweit er in seiner Kanzlei einer Nebentätigkeit nachgehen darf, ist tunlicherweise vor oder spätestens bei der Einstellung zu klären. Der einzustellende Anwalt hat den Arbeitgeberanwalt darüber aufzuklären, ob er eine Befreiung von der Kanzleipflicht erreichen konnte.

Wurde eine Befreiung nicht gewährt, so gilt folgendes:

Bietet der Arbeitgeber dem einzustellenden Anwalt an, dass dieser die Kanzlei in seinen Räumen errichten soll, so ist dem Arbeitnehmeranwalt keine Nebentätigkeit in eigener Kanzlei erlaubt. Gleiches gilt, sofern der Arbeitgeber sich zum Ersatz der mit einer anderwärtigen Kanzlei verbundenen Kosten bereit erklärt. Bietet der Arbeitgeber dem einzustellenden Anwalt weder das eine noch das andere an, so ist diesem eine Nebentätigkeit in eigener Kanzlei - auch stillschweigend - gestattet.

Der Arbeitnehmeranwalt hat sich dann allerdings jeglicher Beeinflussung tatsächlicher Mandanten des Arbeitgebers mit dem Ziel der Abwerbung zu enthalten. Gleiches gilt hinsichtlich solcher Rechtsuchenden, die erkennen lassen, dass sie beabsichtigen oder erwägen, den Arbeitgeberanwalt zu beauftragen. In Richtung auf diesen Personenkreis ist dem Arbeitnehmeranwalt auch standesrechtlich erlaubte Werbung untersagt. Andererseits hat auch der Arbeitgeber Rücksicht zu nehmen und den Arbeitnehmeranwalt z.B. zur Wahrnehmung mit der Nebentätigkeit verbundener Termine bei Gerichten oder Behörden - allerdings unbezahlt - freizustellen. Wie bereits erwähnt, ist es standesrechtliche Pflicht des Arbeitgeberanwalts, sich jeglichen Einflusses und jeglicher Einwirkung auf die Betreuung der Mandate zu enthalten, die der Angestellte selbständig als Nebentätigkeit erledigt (184). Gleiches gilt übrigens auch in Bezug auf die Erledigung der oben beschriebenen Pflichtaufgaben. Der Arbeitnehmer darf wiederum keine Mandate annehmen, die ihn in Konflikt zu seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer bringen könnten (185).

Wegen der soeben aufgezeigten Probleme ist es empfehlenswert, dass der Arbeitnehmeranwalt seine Kanzlei in den Räumen des Arbeitgebers errichtet, wenn eine Befreiung nach § 29 I BRAO nicht erreicht werden kann.

Einer nichtanwaltlichen Nebenbeschäftigung darf der Arbeitnehmeranwalt in den allgemeinen Grenzen (186) ) nachgehen. Dies darf allerdings keine Tätigkeit sein, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts oder mit dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar ist (s. § 15 Nr. 2 BRAO).