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III. Standesrechtliche Fragen

Nach Knief soll sich der Rechtsanwalt, der einen Berufskollegen anstellen möchte, mit diesem Vorhaben auf eine standesrechtliche Gratwanderung begeben (414). Die einzelnen Stationen dieser Wanderung sind von Knief (415)und Hartstang (416)benannt und die gefährlichsten Stellen aufgezeigt worden.

Nach den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 14.7.1987 (417)ist aber auch hier eine Neubesinnung erforderlich.

Die zu behandelnden Probleme resultieren vornehmlich aus der - bereits beschriebenen (418)- Spannung zwischen anwaltlicher Unabhängigkeit und arbeitnehmerischer Abhängigkeit und bilden zugleich die rechtlichen Kristallisationspunkte dieses Spannungsverhältnisses. Nur aus dieser Spannung heraus können sie verstanden werden.

Im folgenden sollen zunächst die besonderen standesrechtlichen Pflichten des Arbeitgeberanwalts und danach die des Arbeitnehmeranwalts, soweit sie mit dem Beschäftigungsverhältnis in Verbindung stehen, kurz erörtert werden.

1. Die besonderen standesrechtlichen Pflichten des Arbeitgeberanwalts

Der Arbeitgeberanwalt ist gehalten, sein Verhalten nicht nur unter arbeitsrechtlichen sondern auch unter standesrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.

a) Die Pflicht, das Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber zu wahren

Das Vertrauen des Mandanten ist die unentbehrliche Basis für die anwaltliche Berufsausübung (419). Dem Vertrauen des Mandanten wird der Anwalt nur durch eine gewissenhafte Berufsausübung gerecht (vergl. § 43 S. 1 BRAO).

Der Rechtsanwalt darf daher insbesondere einen Auftrag nur annehmen und durchführen, wenn er nicht nur die dafür erforderliche Sachkunde hat (oder sich innerhalb angemessener Zeit verschaffen kann) sondern auch die zur Bearbeitung nötige Zeit hat (420). Diese Pflicht bedeutet für den aus der Tagespraxis bekannten chronisch überlasteten Anwalt, dass dieser entweder kürzer treten oder zu seiner Entlastung einen Anwalt einstellen muss (421).

Würde diese Verpflichtung von den betroffenen Anwälten ernstgenommen, könnten die sich aus der sogenannten Anwaltsschwemme ergebenden Probleme nicht unerheblich entschärft werden. Der Trend zu einer Anwaltschaft, in der ein Teil der Kollegen zuviel, ein anderer Teil zuwenig Arbeit hat, um zu "leben", könnte so gebremst werden (422).

Da der Mandatsvertrag auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis beruht (vergl. § 43 Rili), schuldet der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber ein hohes Maß an eigener Verantwortung (423).

Hieraus ist hergeleitet worden, dass die aus dem Mandatsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten wegen ihrer höchstpersönlichen Natur weder übertragbar seien, noch anderen, etwa Mitarbeitern, ohne Kontrolle zur Ausübung überlassen werden könnten (424). Der Anwalt dürfe die eigene Verantwortung nicht auf andere Schultern verlagern (423). Er müsse deshalb den uneingeschränkten Überblick über seine Praxis behalten und die Oberaufsicht ausüben, deren Intensität allerdings von der Befähigung des juristischen Mitarbeiters und deren gewissenhafter Erprobung abhängig gemacht werden dürfe (423).

Demgegenüber ist eingewandt worden, auch wenn der angestellte Rechtsanwalt dem Mandanten gegenüber anwaltliche Leistungen sehr selbständig erbringe, bestehe nur in extremen Fällen die Gefahr, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Chef- Anwalt und dem durch den mitarbeitenden Rechtsanwalt betreuten Mandanten in Mitleidenschaft gezogen werde (425). Dieser stimme nämlich erfahrungsgemäß der anwaltlichen Tätigkeit von Mitarbeitern ausdrücklich oder konkludent zu (425). So soll beispielsweise einem Rechtsanwalt auch stillschweigend in der Regel gestattet sein, sich im Verhandlungstermin durch einen anderen Anwalt oder sogar durch einen Referendar vertreten zu lassen (426). Stimme der Mandant der anwaltlichen Tätigkeit von Mitarbeitern ausnahmsweise einmal nicht zu, müsse der Chef- Anwalt die Verpflichtung aus dem mit diesem Mandanten abgeschlossenen Anwaltsvertrag allerdings höchstpersönlich erfüllen (427).

In der Tat würde das Vertrauen des Auftraggebers Schaden erleiden, würde sein Wille hinsichtlich der

Auswahl des Anwalts, dem er seine Angelegenheit anvertrauen möchte, nicht respektiert. Der beauftragte Anwalt darf daher die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben dann nicht delegieren, wenn der Mandant zu erkennen gibt, dass er dies nicht wünscht. Er muss daher einen solchen Auftrag sogar ablehnen, wenn er ihn nicht, wie gewünscht, persönlich ausführen kann. Dem entgegenstehende Weisungen kann und muss der angestellte Anwalt missachten, da er sich andernfalls am standeswidrigen Verhalten seines Arbeitgebers beteiligen würde (428).

Der Arbeitgeberanwalt darf ferner nicht delegieren, wenn er nicht aufgrund seiner bisherigen Erfahrung davon überzeugt ist, dass der anwaltliche Mitarbeiter zur Erledigung der Aufgabe, die ihm übertragen werden soll, hinreichend kompetent ist. Umgekehrt muss der Angestellte eine Weisung zurückweisen, soweit ihm hierdurch eine Aufgabe delegiert wird, zu deren Ausführung er nicht die notwendige Sachkunde besitzt.

Im übrigen ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht gehindert, seinem Mitarbeiter die selbständige Wahrnehmung eines Mandats oder einer einzelnen anwaltlichen Aufgabe zu übertragen. Von der Kompetenz und Seriösität seiner Mitarbeiter kann er sich allerdings nur dann das notwendige Bild machen, wenn er ein gewisses Mindestmaß an Kontrolle behält und ausübt. Zu einer derartigen Kontrolle ist er auch nach § 83 Rili, dessen Feststellungen insoweit zutreffende Konkretisierungen der aus der BRAO folgenden anwaltlichen Berufspflichten enthalten, verpflichtet (429).

Mit der Kontrollmöglichkeit muss die Möglichkeit der Erteilung von Weisungen einhergehen, mit denen der Arbeitgeberanwalt auf unfachgemäßes oder unseriöses Verhalten seines Mitarbeiters zu reagieren hat. Mit der nicht übertragbaren Verantwortung des Arbeitgeberanwalts gegenüber dem Mandanten korrespondiert die Weisungspflicht gegenüber dem Mitarbeiter (430). Das entsprechende Weisungsrecht kann also nicht ausgeschlossen werden, will sich der Arbeitgeberanwalt nicht selbst in Widerspruch zu seinen Verpflichtungen aus dem Mandatsverhältnis setzen (430).

Selbstverständlich hat der Arbeitgeberanwalt auch die Pflicht, die Grenzen seines Weisungsrechts zu beachten (431). Eine Überschreitung dieser Grenzen kann, wenn hierdurch das Allgemeininteresse beeinträchtigt wird, auch standesrechtlich belangreich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der angestellte Anwalt aufgrund der Weisung ein Verhalten an den Tag legt, dass geeignet ist, das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Kompetenz und Seriösität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen.

Der Schutz der auf der Unabhängigkeit beruhenden Vertrauenswürdigkeit des Anwalts erfordert es auch, dass der Arbeitgeberanwalt sich jeglichen Einflusses und jeglicher Einwirkung auf die Ausführung jener Mandate enthält, die sein Arbeitnehmer in Ausübung einer Nebentätigkeit selbständig betreut.

b) § 81 Rili - Pflicht zur Gewährung angemessener Vertragsbedingungen

§ 81 Rili sollte die standesrechtliche Grundnorm und Generalklausel für das Verhältnis zwischen Anwalt und juristisch vorgebildetem Mitarbeiter darstellen.

Eine Standeswidrigkeit liegt allerdings nur dann vor, wenn durch grob unbillige Beschäftigungsbedingungen das Allgemeininteresse an der Seriösität und Kompetenz der Anwaltschaft erheblich beeinträchtigt wird (432).

Im übrigen sind die zivil- und arbeitsrechtlichen Vorgaben ausreichend, um den angestellten Anwalt vor unangemessenen Beschäftigungsbedingungen zu schützen (433).

2. Die standesrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmeranwalts

a) Kanzleipflicht gemäß § 27 BRAO

Gemäß § 27 II 1 BRAO muss der Rechtsanwalt an dem Ort des Gerichts, bei dem er zugelassen ist, eine Kanzlei einrichten. Diese Kanzleipflicht stellt eine verfassungsrechtlich statthafte Regelung der Berufsausübung dar (434) und widerspricht auch nicht dem EG-Recht (435).

Die Nichterfüllung dieser Pflicht kann nach §§ 35 I Nr. 2, 5, 14 I Nr. 7 BRAO zur Zurücknahme der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führen. Die Maßnahme der Zulassungszurücknahme ist allerdings in der Regel unverhältnismäßig, wenn der Anwalt nur Einzelheiten der Kanzleiführungspflicht nicht erfüllt (436). Zunächst sind schonendere Mittel anzuwenden, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Kanzleipflicht zu erzwingen (436).

Als Mindestanforderungen, die an die Errichtung und Aufrechterhaltung einer Anwaltskanzlei zu stellen sind, werden allgemein genannt: ein Raum, ein Praxisschild und ein im Telefonverzeichnis eingetragenes Telefon (437). Insbesondere soll es zur Erfüllung der Kanzleipflicht erforderlich sein, dass dem Publikum - durch das Praxisschild - offenbar gemacht wird, dass in den als Kanzlei bestimmten Räumlichkeiten anwaltliche Dienste bereitgestellt werden (438).

Die Erfüllung der so umschriebenen Kanzleipflicht wirft für den angestellten Anwalt Probleme auf.

Knief unterbreitet als eine "einfache" Lösung dieser Probleme den Vorschlag, der fest angestellte Rechtsanwalt solle auf die Zulassung zur Anwaltschaft verzichten (439).

Mit Hartstang ist dieser Vorschlag jedoch schon deshalb zu verwerfen, weil bei Verzicht auf die Zulassung zur Anwaltschaft der Angestellte die Befugnis verlieren würde, überhaupt anwaltlich tätig zu sein (440). Damit wären auch seine Tätigkeitsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass es fraglich erscheint, ob eine Anstellung noch sinnvoll ist. Bei der Mandantenberatung geriete dieser Jurist zumindest in die Nähe der durch das RBerG strafbewehrt untersagten Rechtsberatung (441). Auch in der forensischen Tätigkeit wäre der Angestellte bei dieser Konstellation mangels Zulassung erheblich behindert (442).

Eine weitere Möglichkeit ist, dass der angestellte Anwalt in Erfüllung der Kanzleipflicht eine eigene Praxis in der eigenen Wohnung oder in eigenen Räumen zusätzlich einrichtet (443). Diese Möglichkeit führt und verführt jedenfalls dann, wenn eine ganztägige Mitarbeit angestrebt wird, zur Erfüllung formeller Voraussetzungen durch Schaffung und Aufrechterhaltung eines Anscheines (444). Auch sind mit einer derartigen Kanzleierrichtung nicht unerhebliche, auch laufende Kosten verbunden, deren Tragung dem Angestellten nicht ohne weiteres zugemutet werden kann. So ist beispielsweise eine Hilfskraft erforderlich, die während der üblichen Geschäftszeit sich in der Kanzlei aufhält, damit die Verbindung zwischen dem Anwalt einerseits und den Gerichten sowie dem Publikum andererseits in ausreichendem Maße aufrecht gehalten wird (445). Darum wird der Arbeitgeberanwalt dem Angestellten die Befugnis einräumen müssen, eigene Mandate in dieser Kanzlei zu erledigen (446), d.h. eine entsprechende Nebentätigkeit und den damit verbundenen Wettbewerb zu gestatten (447).

Ein bei einem anderen Rechtsanwalt angestellter Rechtsanwalt kommt seiner Pflicht zur Kanzleierrichtung auch nach, wenn er auf dem Praxisschild, den Briefbögen und Vollmachten des Anstellungsanwalts sowie in Presseanzeigen als Sozius erscheint (448). Knief führt dazu allerdings aus, diese Lösung müsse sich deshalb verbieten, weil hiermit eine für den Mitarbeiter "unerträgliche, unzumutbare und unausweichliche" Haftungskonsequenz im Außenverhältnis verbunden ist (449). Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass sich beide Parteien sehr genau überlegen sollten, eine solche "Schein-"Sozietät einzugehen (450).

Ferner kommt in Betracht, dass der anzustellende Anwalt bei der Landesjustizverwaltung gemäß § 29 I 1 BRAO um eine Befreiung von der Kanzleipflicht nach sucht. Kalsbach empfiehlt, in solchen Fällen im Interesse der Rechtspflege die erbetene Befreiung großzügig zu erteilen und mit einer angemessenen Frist auszustatten (451). Feuerich meint allerdings eine Befreiung von der Kanzleipflicht werde wegen der Bedeutung dieser Pflicht für eine ordungsgemäß funktionierende Rechtspflege nur in wenigen Fällen und dann regelmäßig auch nur befristet in Betracht möglich sein (452). Ein Rechtsanwalt ohne Kanzlei schließe sich selbst vom beruflichen Leben aus (453). Die Landesjustizverwaltung wird daher, um den strikten Ausnahmecharakter einer derartigen Befreiung zu wahren, diese nur dann erteilen, wenn dem angestellten Anwalt keine zumutbare Möglichkeit offensteht, seiner Kanzleipflicht nachzukommen.

Als eine solche Möglichkeit kommt in Betracht, dass der angestellte Anwalt die Kanzlei seines Arbeitgebers auch als eigene Kanzlei nutzt (454).

Fraglich ist insoweit nur, ob der angestellte Anwalt alle Mindesterfordernisse einer Kanzleierrichtung erfüllen muss, vor allem ob er auch ein eigenes Kanzleischild neben das seines Arbeitgebers anbringen muss. Die Frage, ob der angestellte Rechtsanwalt die Kanzleipflicht verletzt, wenn er kein eigenes Kanzleischild angebracht hat (und auch nicht namentlich auf dem Kanzleischild der Arbeitgeberanwalt angeführt ist), wird in der Praxis der Rechtsanwaltskammer unterschiedlich beantwortet (455).

Gegen die Anbringung eines Kanzleischildes des Angestellten neben dem des Arbeitgebers spricht, dass dies immer wieder zu schwierigen Abgrenzungsdiskussionen im Einzelfall führen wird (456). Knief führt dazu aus, "eine Kanzlei in der Kanzlei" werde sich gewöhnlich verbieten, schon weil alle Beteiligten die Unklarheit der Darstellung im Außenverhältnis und die möglicherweise damit verbundener Wettbewerbsprobleme nicht wünschen können (457). Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, ein Rechtsanwalt könne kraft der ihm gesetzlich garantierten Freiheit und Unabhängigkeit der Berufsausübung eigenverantwortlich nach eigenem Ermessen darüber befinden, ob er - gleich aus welchen Gründen, auf kürzere oder längere Dauer - überhaupt Aufträge von Rechtssuchenden entgegennehmen will (458). Die Wettbewerbsprobleme sind daher vermeidbar. Allerdings bleibt es dabei, dass durch die Anbringung des Kanzleischildes nach außen hin ein irreführender Eindruck erweckt wird, den die Beteiligten - jedenfalls der Arbeitgeberanwalt - zu vermeiden bestrebt sein werden.

Von daher gewinnt die Frage, ob ein Kanzleischild überhaupt anzubringen ist, hier ihre praktische Bedeutung. Jessnitzer hat darauf hingewiesen, dass viele zugelassene Rechtsanwälte, z.B. ein Teil der Syndikusanwälte, kein Praxisschild führen und dies weitgehend stillschweigend geduldet wird (459). Realitätsbezogen sei daher die Auffassung, dass ein Praxisschild nicht notwendiger Bestandteil der Kanzleieinrichtung sei (459). Friese weist daraufhin, dass der Rechtsanwalt sich eigentlich nur durch die Nichtanbringung des Schildes selbst schädige, da er sich des einzig möglichen Werbemittels beraube, was gerade in Anbetracht der großen Anzahl der Rechtsanwälte unbeachtet bleiben könne, und plädiert wohl dafür, diese Frage der freien Entscheidung des einzelnen Anwalts zu überlassen (460).

Ob diese Auffassung zutrifft, lässt sich nur anhand des Sinns und des Zwecks der Kanzleipflicht beurteilen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht gerade auch das Erfordernis eines Praxisschildes zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Kanzleipflicht als verfassungsmäßig gerechtfertigt angesehen hat (461). Allerdings ging es in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall nicht um einen angestellten Anwalt. Zu prüfen ist also auch, ob es Gesichtspunkte gibt, die eine mindere Anforderung an die Erfüllung der Kanzleipflicht durch den angestellten Anwalt rechtfertigen.

Die Kanzleipflicht wird in ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung (462) damit gerechtfertigt, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege der rechtsuchenden Bevölkerung dienen solle (463). Die Partei, die einen Anwalt in Anspruch nehmen wolle, bedürfe der Klarheit, welche Rechtsanwälte in einem bestimmten Ort seien und an welchem Ort sie den Rechtsanwalt ihrer Wahl zu den üblichen Geschäftszeiten erreichen könne (463). Ebenso müsse für die Gerichte und Behörden wegen der vielfältigen Kontakte, die sich im Laufe eines Verfahrens mit einem Rechtsanwalt ergeben könnten, eindeutig feststehen, wo er seine Berufstätigkeit ausübe und wo er regelmäßig anzutreffen sei (463). Das Bundesverfassungsgericht hat dies als hinreichende Gemeinwohlgründe für diese Berufsausübungsregel anerkannt (464).

Diese Gründe erfordern nicht, dass der angestellte Anwalt, der seine Kanzlei in den Räumen des Arbeitgeberanwalts unterhält, ein Praxisschild anbringt. Den Rechtsuchenden dient er durch seine Mitarbeit in der Kanzlei des Arbeitgebers. Für die Gerichte und Behörden ist er unter dessen Anschrift erreichbar. Eigene Mandate kann (465) und will er regelmäßig nicht führen. Im Falle der Beiordnung, der Pflichtverteidigung o.ä. Fällen kann die beiordnende Stelle den Rechtsuchenden ohne weiteres darauf hinweisen, dass der angestellte Anwalt in der Kanzlei seines Arbeitgebers zu erreichen ist. Zumindest beim angestellten Anwalt sind also mindere Anforderungen an die Erfüllung der Kanzleipflicht gerechtfertigt.

Folgt man dem nicht, wird man zubilligen müssen, dass der Angestellte auf dem Schild des Arbeitgebers ausdrücklich als angestellter Anwalt (und nicht als "Schein-"Sozius) aufgeführt wird. In dieser informierenden Angabe liegt keine zumindest gezielte Werbung in die Praxis (466), obwohl hiervon ein werbender Effekt ausgehen kann. Zugleich wird hierdurch die tatsächliche Lage derart klargestellt, dass eine Haftung des Angestellten als "Schein-"Sozius nicht mehr in Betracht kommt, denn die Allgemeinheit erwartet wohl kaum, dass ein Angestellter für Verbindlichkeiten seines Arbeitgebers haftet.

b) § 46 BRAO

§ 46 BRAO bestimmt, dass der Rechtsanwalt für einen Auftraggeber, den er aufgrund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft überwiegend zur Verfügung stellen muss, vor Gerichten oder Schiedsgerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden darf.

Diese Vorschrift betrifft den Syndikusanwalt (467). Sie will dessen Unabhängigkeit beim Tätigwerden als Organ der Rechtspflege schützen (468). Dem Wortlaut nach gilt sie allerdings auch für den Rechtsanwalt, der Angestellter eines anderen Anwalts ist.

In Zivilsachen mit Anwaltszwang kann sich der Arbeitgeberanwalt gemäß § 78 IV ZPO auch selbst vertreten. Sieht man hierin keine Gefahr für die Rechtspflege, so ist auch kein Grund dafür ersichtlich, warum nicht auch sein Angestellter für ihn auftreten kann. Insoweit ist eine einschränkende Auslegung angezeigt.

Dies gilt aber nicht für die Tätigkeit als Verteidiger in Strafsachen, denn für diese Tätigkeit ist gerade in besonderem Maße die Unabhängigkeit vom Klienten notwendig. Daher kann auch niemand sein eigener Verteidiger sein (vergl. § 138 a I Nr. 1 StPO).

c) Anzeigepflicht (§ 17 III 1 Nr. 3, 4 Rili)

Die Anzeige- und Vorlagepflichten gemäß § 17 III 1 Nr. 3 Rili, § 17 III 1 Nr. 4 Rili und § 17 III 2 Rili sind zur Erfüllung der dem Kammervorstand obliegenden Aufgaben unerlässlich (469). Fraglich ist nur, ob diese Anzeigepflichten für ein Angestelltenverhältnis unter Anwälten einschlägig sind.

Die Feststellung des § 17 III 1 Nr. 4 Rili hat offensichtlich den Syndikusanwalt im Auge (470). Von daher ergibt sich auch der Zweck der Vorlagepflicht nach § 17 III 2 Rili. Erst die Vorlage des Vertrages ermöglicht dem Vorstand die regelmäßig angezeigte Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 15 Nr. 2 BRAO gegeben sind (470).

Die Tätigkeit als Angestellter eines Rechtsanwalts kann jedoch nicht zu einer Unvereinbarkeit nach §§ 15 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO führen (471).

Zur Überwachung, ob im Einzelfall grob unbillige Beschäftigungsbedingungen vorliegen, die das Allgemeininteresse beeinträchtigen (472), bedarf es der regelmäßigen Vorlage des Arbeitsvertrages nicht, zumal dieser oftmals nicht schriftlich abgeschlossen wird oder die tatsächlichen Beschäftigungsbedingungen nur unzureichend wiedergibt.

Somit ist für Beschäftigungsverhältnisse unter Anwälten die Feststellung in § 17 III 3 Rili einschlägig. Es handelt sich hierbei also um eine "andere" Verbindung zu gemeinschaftlicher Berufsausübung im Sinne dieser Feststellung.

Dies bedeutet auch, dass beide Parteien des Beschäftigungsverhältnisses anzeigepflichtig sind, was auch sinnvoll erscheint.

d) § 82 Rili

Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle auf die bereits behandelten, weiterhin zutreffenden Feststellungen in § 82 Rili hingewiesen werden (473).