Aktuelles

Inhaltsübersicht

Mandatendaten in die Cloud?
23.02.2017 — Wer als Rechtsanwalt Mandantendaten in die sogenannte Cloud auslagert, kann sich strafbar machen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorratsdatenspeicherung
22.12.2016 — Der EuGH legt das Unionsrecht dahingehend aus, dass es eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten untersagt.
Die Kanzlei wurde ans Glasfasernetz angeschlossen
07.07.2016 — Der Fortschritt hält Einzug.
Selbstfahrende Fahrzeuge und das Recht
12.01.2016 — Technische Entwicklung wirft Probleme auf.
Mindestlohn und Vergaberecht
19.11.2015 — Zwei Urteile des EuGH zur Mindestlohnzahlungsverpflichtung im Vergaberecht
Kündigung durch Einwurf in den Briefkasten am Sonntag
13.11.2015 — bewirkt Zustellung erst am Montag.
Urteil des Bundesgerichtshofes zur fiktiven Abrechnung von Unfallschäden
13.11.2015 — Immer wieder ein Thema: Die Versicherung will nicht der Reparaturkosten einer Markenwerkstatt erstatten.
Totalschaden: Kraftstoff als Schadenposition
08.10.2015 — Urteil des Amtsgerichtes Solingen vom 01.04.2015
EuGH, Urteil vom 06.10.2015 — C-362/14
04.10.2015 — Der Gerichtshof der Europäischen Union stärkt den Datenschutz
Sachkunde gegen Abmahnwahn
04.10.2015 — Ein interessantes Urteil des Amtsgerichtes Stuttgart-Bad Cannstatt
Drei neue BGH-Urteile
23.09.2015 — Bundesgerichtshof zur Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörse
Neues Urteil zur GPLv3
23.09.2015 — Die Rechtsentwicklung steht nicht still
"Recht und Freiheit"
08.07.2015 — Aufsatz zur Rechtsgeschichte Freier Software veröffentlicht
Lizenzmanagement
10.04.2015 — Bericht von einer Vortragsveranstaltung
Pornopranger
20.08.2012 — Rechtsanwälte planen Veröffentlichung von Gegnerliste
Gebrauchte Software darf verkauft werden
03.07.2012 — Der Gerichtshof der Europäischen Union stärkt Kundenrechte
Anwaltsgeheimnis und Outsourcing
19.04.2012 — Ein Problem kommt im "Mainstream" an.
Virtuelle Mitgliederversammlung
16.02.2012 — Vereinssatzung kann virtuelle Mitgliederversammlung vorsehen.
Abmahnindustrie im Gegenwind
14.01.2012 — Oberlandesgerichte entscheiden pro Abgemahnte.
Impressumspflicht auch in sozialen Netzwerken
19.11.2011 — Pflichtangaben nach dem Telemediengesetz müssen nach einer Entscheidung des Landgerichtes Aschaffenburg auch auf Profilseiten auf "Social Media Plattformen " bereitgehalten werden.
"Fangprämie" als Schaden
22.10.2011 — Das Amtsgericht Lemgo zur Erstattungsfähigkeit einer Auslobungsprämie nach "Unfallflucht"
Im Internet braucht keiner zu erfahren, dass man ein Hund ist
12.10.2011 — Oberlandesgericht Hamm: Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht der grundrechtlichen Interessenlage.
Bundesfinanzhof: Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung
08.10.2011 — Zivilprozesskosten können außergewöhnliche Belastungen sein. hat der Bundesfinanzhof unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden.
Neues zum Schadensmanagement
04.10.2011 — Das sogenannte Schadensmanagement treibt neue Blüten.

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Mandatendaten in die Cloud?

Dr. Daniel Schmid vertritt in seinem Beitrag "Mandantendaten in der Cloud" (NJW-aktuell 9/2017, S. 19) die Auffassung, bei der Auslagerung von Mandantendaten an einen Cloud-Anbieter sei der Tatbestand von § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) in der Regel erfüllt. Denn die Daten über die Mandanten seien fremde Geheimnisse. Lagere die Kanzlei die Mandantendaten an einen Cloud-Anbieter aus, habe dieser die Möglichkeit, sie zur Kenntnis zu nehmen. Ein Cloud-Anbieter könne auch nicht unter den Gehilfenbegriff des § 203 Absatz 3 Satz 2 StGB gefasst werden.

Eine Strafbarkeit könne bei der Entbindung des Rechtsanwalts von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Cloud-Anbieter und bei einer Verschlüsselung der Daten durch die Kanzlei entfallen. Eine Entbindung von der Schweigepflicht setze aber das Vertrauen des Mandanten "in den rechtskonformen Umgang" des Cloud-Anbieters mit den Daten voraus. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass im Falle der Schweigepflichtsentbindungserklärung der Schutz durch § 203 StGB bezüglich der Mandantendaten entfällt, da der Cloud-Anbieter und seine Mitarbeiter eben keine Gehilfen des Rechtsanwalts im Sinne des § 203 Absatz 3 Satz 2 StGB sind.

Geprüft wird abschließend noch, ob § 2 Absatz 3 c der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zu einem anderen Ergebnis führen kann.

Nach dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht gegeben, soweit das Verhalten des Rechtsanwalts "im Rahmen der Arbeitsabläufe der Kanzlei einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgt und objektiv einer üblichen, von der Allgemeinheit gebilligten Verhaltensweise im sozialen Leben entspricht (Sozialadäquanz)".

Abgesehen davon, dass es fraglich erscheint, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm im vorliegenden Fall des Auslagerns der Mandatendaten in die Cloud vorliegen, vertritt Dr. Daniel Schmid die Auffassung, diese Norm sei keine Befugnisnorm und könne daher keine Straffreiheit begründen, die nur durch eine Änderung des § 203 StGB "unter Einbeziehung von Cloud-Anbietern in den Kreis der Gehilfen" zu erreichen sei.

Wer als Rechtsanwalt Mandantendaten in die sogenannte Cloud auslagert, kann sich also strafbar machen.

Es bleibt dem vorsichtig agierenden Anwalt aber der Ausweg einer eigenen und selbstkontrollierten Cloud.

Ich selbst stehe einer "fremdbestimmten" Cloudlösung sehr skeptisch gegenüber. "There is NO CLOUD, just other's people computers."

Wer als Anwalt eine Cloudlösung, die auch Vorteile haben kann, nutzen will, dem bleibt eben nur der Ausweg einer eigenen und selbstkontrollierten "Cloud". Auch hierfür gibt es Freie Software, die ich nutze.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen

Mit dem Urteil "Digital Rights Ireland" vom 08.04.2014 — C-293/12 und C-594/12 — hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten (Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105, S. 54)) für ungültig erklärt, weil der Eingriff in die Rechte auf Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten durch die mit dieser Richtlinie vorgeschriebene allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten nicht auf das absolut Notwendige beschränkt war. In einer neuen Entscheidung hat sich nun der EuGH auch mit Rechtsnormen von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union befasst.

Der EuGH entschied nun durch Urteil vom 21.12.2016 — C-203/15 und C-698/15 —, dass die auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen dürfen. Das Unionsrecht untersage eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten.

Der Gerichtshof hat damit zunächst bestätig, dass die zu prüfenden nationalen Rechtsvorschriften in den Geltungsbereich der einschlägigen EU-Richtlinie fallen.

Der Gerichtshof weist auch auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verlangt, dass sich die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken. Der Gerichtshof wendet diese Rechtsprechung sowohl auf die Regeln über die Vorratsdatenspeicherung als auch auf die Regeln über den Zugang zu den gespeicherten Daten an.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass eine Regelung, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung vorsieht, keinen Zusammenhang zwischen den Daten, deren Vorratsspeicherung vorgesehen ist, und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verlangt und sich insbesondere nicht auf die Daten eines Zeitraums oder eines geografischen Gebiets oder eines Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, beschränkt. Eine solche nationale Regelung überschreitet die Grenzen des absolut Notwendigen und kann nicht als in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt angesehen werden.

Für unter bestimmten Umständen zulässig hält der EuGH jedoch eine nationale Regelung, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten eine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermöglicht, sofern diese Vorratsspeicherung hinsichtlich der Kategorien von zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Speicherungsdauer auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Dem Gerichtshof zufolge muss jede nationale Regelung, die derartiges vorsieht, klar und präzise sein und hinreichende Garantien enthalten, um die Daten vor Missbrauchsrisiken zu schützen.

Die nationale Regelung der Umstände und Voraussetzungen, unter denen den zuständigen Behörden dann der Zugang zu den gespeicherten Daten zu gewähren ist, muss sich auf objektive Kriterien stützen. Ferner ist es unerlässlich, dass der Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten, außer in Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle entweder durch ein Gericht oder eine unabhängige Stelle unterworfen wird. Außerdem müssen die betroffenen Personen vom Zugang in Kenntnis gesetzt werden.

Schließlich muss die nationale Regelung vorsehen, dass die Daten im Gebiet der EU zu speichern und nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist unwiderruflich zu vernichten sind.

Damit wurde erfreulicherweise festgestellt, dass eine allgemeine Kontrolle als Ausdruck eines "Generalverdachts" des Staates gegen seine Bürger und Einwohner einer Demokratie wesensfremd ist. Vielmehr sind es die Bürger als Souverän, die den staatlichen Organen und ihren Organwaltern Mißtrauen entgegen zu bringen haben.

Insoweit wird die Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland aufmerksam zu beobachten sein.

Der Fortschritt hält Einzug in meine Kanzlei

Gestern wurde die Kanzlei an das Glasfasernetz angeschlossen.

Laut Sascha Lobo sind Experten der Meinung, dass kein Weg an einem offensiven Glasfaserausbau (bis in die Haushalte) vorbeiführt.. Tatsächlich soll Deutschland aber innerhalb der EU auf dem vorletzten Platz liegen, was "Fiber to the home" angeht.

In Langenfeld verlegen jedoch die Stadtwerke fleißig Glasfaser. Auch das Gewerbehaus "DAS WEISS-HAUS", in dem sich meine Kanzlei befindet, wurde im Inneren mit Glasfaser verkabelt. Diese Gelegenheit habe ich genutzt, um mir ein schnelleres Internet zu besorgen.

Dabei unterbreiteten mir die Stadtwerke ein lukratives Angebot. Schnelleres Internet, Telefon und Telefax in einem Gesamtpaket als "Business-Kunde" mit entsprechendem Service-Level zu einem Preis, der die bisherigen Kosten wesentlich unterbot; das konnte ich nicht ablehnen. Ich "verlor" lediglich eine Telefonnummer, die aber zuvor seit langem nicht mehr nicht aktiv kommuniziert worden war.

Am 05.07.2016 wurde der Glasfaserstrang bis in meine Kanzlei gelegt. Ein Umwandler auf das Kupfernetz wurde angeschlossen. Am 06.07.2016 lief mein bisheriger Vertrag aus und am Morgen dieses Tages kam der Junior-Chef selber mit der FritzBox, um die Umstellung zu bewerkstelligen.

Diese lief "wie am Schnürchen". Der bisherige Anschluss wurde demontiert. Die Telefonanlage und das Faxgerät wurden umgesteckt. Die Rufnummern aufgeschaltet; die FritzBox konfiguriert. Erste Funktionstests verliefen zufriedenstellend. Lediglich mein eigener Router, der zwischen dem LAN und der FritzBox wachen sollte und einen bisher eingesetzten älteren Computer ersetzte, "zickte" noch etwas. Insgesamt waren wir aber nur "einen Wimpernschlag" vom Netz getrennt. Dafür, dass alles so gut klappte, bin ich den Mitarbeitern der Stadtwerke Langenfeld und den Mitarbeitern und Chefs der Dammlaks-Unternehmen zum Dank verpflichtet. Nun bin ich auch am Breitbandinternet der örtlichen Stadtwerke angeschlossen.

Eine erste Untersuchung der Fritzbox ergab übrigens, dass dort zwei Zugänge von außen installiert waren, einer davon standartmäßig. Der andere diente als Servicezugang. Nach Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Stadtwerke habe ich beide zur Sicherheit deaktiviert, denn die Box loggt. wie ich ebenfalls feststellen musste, viele Verbindungsdaten. Außerdem enthält sie einen Anrufbeantworter.

Ganz Deutschland ein Internet-Entwicklungsland? Nicht ganz Deutschland!

In Langenfeld sollen noch in diesem Jahr 75 % des gesamten Langenfelder Stadtgebiets mit dem schnellen Internet der Stadtwerke versorgt werden können.

Der "zickende" Router, ein Raspberry Pi mit einer zusätzlichen Kabelschnittstelle, konnte übrigens von mir zur Räson gebracht werden. Ich kann wieder arbeiten wie vor der Umstellung — nur eben mit einer moderneren Infrastruktur.

Selbstfahrende Fahrzeuge und das Recht

Ein Automobil ist seit über einhundert Jahren ein Fahrzeug, das selbst fährt. Also ohne Pferde oder sonstige Zugtiere. Dass dies Gefahren in sich birgt, hat der Gesetzgeber frühzeitig erkannt und eine Gefährungshaftung des Halter, sowie ein Pflichthaftpflichtversicherung angeordnet. Allerdings ist das von einem Menschen geführte Kraftfahrzeug nicht der Endpunkt der technischen Entwicklung des Individualverkehrs. Inzwischen wird an Fahrzeugen gearbeitet, die auch die menschliche Steuerung und Führung entbehrlich machen, also an führerlosen Fahrzeugen.

Laien wie Fachleute erwarten von solchermaßen "selbstfahrenden" Fahrzeugen deutlich weniger Unfälle. Sollte diese Erwartung eintreffen, wäre dies erst einmal erfreulich. Auch die zivilrechtlichen Haftungsfragen, die mit dem Betrieb eines autonmen Fahrzeuges einhergehen, scheinen bei sinnvoller Anwendung des überkommenen Rechts lösbar. Allerdings führt die Verlagerung der Führung eines Kraftfahrzeuges weg vom Menschen hin zu einem Computer zu neuen ethischen, rechtlichen und technischen Problemen. Solange sich nämlich auch Radfahrende und von Menschen geführte Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr bewegen und zu Fuß Gehende Fahrbahnen höhengleich überqueren, wird es wohl weiterhin trotz optimaler Fahrweise der autonomen Fahrzeuge Unfälle geben.

Wie soll der Computer "entscheiden", wen soll er als Opfer "auswählen", wenn sich ein Unfall nicht vermeiden lässt? Soll das Programm das eigene Fahrzeug "opfern" und eventuell leichte Verletzungen der Insassen "in Kauf nehmen", wenn es dann einen schwereren Unfall wahrscheinlich vermeiden kann? Soll es das Fahrzeug einem Unfall ausweichen lassen, obwohl es erkennt, dass dann stattdessen jemand anderer einen Unfall haben wird? Soll der Computer eine Entscheidung treffen, die im Interesse der Versichertengemeinschaft die finanzielle Schadenhöhe minimiert, oder die Leben möglichst schont?

Lawrence Lessig schrieb "Code is Law". Leider lässt sich das Straßenverkehrsrecht nicht so einfach in Programmcodezeilen umsetzen. Es ist nämlich nicht eindeutig genug und lässt Wertungen zu, die in vertretbarer Weise so oder so ausfallen können, also letztlich keine rechtlich eindeutig gebundenen, sondern ethische Entscheidungen sind. Hinzu kommt dann noch die Unsicherheit der Prognose, die wohl auch durch den EDV-Einsatz nicht auf Null reduziert werden kann.

Allerdings greifen Menschen in den meisten Fällen, in denen sie Risiken oder beschränkte Ressourcen verteilen, auf ethische Systeme zurück. Diese lassen sich als Regeln ("wenn .., dann") auch in Computerprogrammen abbilden. Dann kann der Computer entscheiden, ob der behelmte oder der unbehelmte Zweiradfahrer, eine alte Frau oder die Mutter mit Kind in Lebensgefahr gebracht werden soll.

Aber damit ist man mit den rechtlichen Problemen keineswegs am Ende. Welchen Auswand soll man treiben müssen, um alle Faktoren und Parameter zu ermitteln und in das Ergebnis einfließen zu lassen? Wie aufwendig muss also die Sensorik und die IT eines autonomen Fahrzeuges ausgelegt sein? Und wer entscheidet letztlich, ob das Computerprogramm auch "für Tiere bremsen" soll? Der Halter, der Hersteller oder der Gesetzgeber? Wer soll also die Regeln und ihre Anwendung bestimmen?

Fragen, wie die vorgenannten werden heute schon beispielsweise unter dem Stichwort "Roboterethik" diskutiert. Dabei geht es eben nicht nur um Regeln für Tötungsautomaten. Vielmehr werden zumindest in den entwickelten Ländern fast alle auf die eine oder andere Weise von autonomen Fahrzeugen betroffenen sein. Daher sollte eine rechtzeitige Diskussion dieser Fragen in einem demokratischen Gemeinwesen auch die Sache aller sein.

Zwei Urteile des EuGH zum Thema Vergaberecht und Mindestlohn

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 18.09.2014 in der Rechtssache C-549/13 erging in einem Vorabentscheidungsverfahren. Es ging um die Vereinbarkeit des § 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 10.01.2012 mit dem Europarecht. Absatz 3 Satz 1 dieser nordrhein-westfälischen Norm lautet:
"Öffentliche Aufträge über Leistungen, die nicht den Vorgaben der Absätze 1 und 2 unterliegen, dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe durch Erklärung gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber schriftlich verpflichtet haben, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung wenigstens ein Mindeststundenentgelt von 8,62 Euro zu zahlen."

Eine solche nationale Regelung kann nach der Entscheidung des Gerichtshofes grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein (so auch das nachstehend besprochene Urteil), auf das sich der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen in dem Gesetzesentwurf, der zum Erlass des in Rede stehenden Gesetzes führte, nach der Erkenntnis des Gerichtshofes auch ausdrücklich berufen hat, nämlich das Ziel, zu gewährleisten, dass die Beschäftigten einen angemessenen Lohn erhalten, um sowohl "Sozialdumping" als auch eine Benachteiligung konkurrierender Unternehmen zu vermeiden, die ihren Arbeitnehmern ein angemessenes Entgelt zahlen. Der Europäischen Gerichtshof entschied jedoch, dass in Rede stehende nationale Regelung unverhältnismäßig erscheint, soweit sich ihr Geltungsbereich auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren fragliche erstreckt, in der Arbeitnehmer einen öffentlichen Auftrag in einem Mitgliedstaat ausführen, der nicht mit dem Mitgliedstaat identisch ist, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, und in dem die Mindestlohnsätze niedriger sind.

Indem diese Regelung in einer solchen Situation ein festes Mindestentgelt vorgibt, das dem entspricht, das erforderlich ist, um eine angemessene Entlohnung der Arbeitnehmer des Mitgliedstaats des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf die in diesem Mitgliedstaat bestehenden Lebenshaltungskosten zu gewährleisten, aber keinen Bezug zu den in dem Mitgliedstaat bestehenden Lebenshaltungskosten hat, in dem die Leistungen im Zusammenhang mit dem betreffenden öffentlichen Auftrag ausgeführt werden, und damit den in dem letztgenannten Mitgliedstaat ansässigen Nachunternehmern die Möglichkeit vorenthalten würde, aus den zwischen den jeweiligen Lohnniveaus bestehenden Unterschieden einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen, gehe sie nämlich über das hinaus, was erforderlich sei, um zu gewährleisten, dass das Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht wird.

Der Europäischen Gerichtshof erkannte deshalb: In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, in der ein Bieter beabsichtigt, einen öffentlichen Auftrag ausschließlich durch Inanspruchnahme von Arbeitnehmern auszuführen, die bei einem Nachunternehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, beschäftigt sind, steht Art. 56 AEUV der Anwendung von Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem dieser öffentliche Auftraggeber angehört, entgegen, die diesen Nachunternehmer verpflichten, den genannten Arbeitnehmern ein mit diesen Rechtsvorschriften festgelegtes Mindestentgelt zu zahlen.

Der Europäische Gerichtshof hat dann jüngst wieder in einem Vorabentscheidungsverfahren durch Urteil vom 17.11.2015 in der Rechtssache C-115/14 entschieden, die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Dabei ging es um die Vereinbarkeit des rheinland-pfälzisches Landesgesetzes zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben vom 1. Dezember 2010. Mit diesem Gesetz will das Land Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegenwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme mildern. Nach diesem Gesetz dürfen in diesem Lande öffentliche Aufträge nur an Unternehmen (und Nachunternehmer) vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, den zur Ausführung der Leistung den eingesetzten Beschäftigten ein Mindestentgelt von (während des im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums) 8,70 Euro brutto pro Stunde zu zahlen. Der Gerichtshof sieht in der fraglichen Verpflichtung eine nach der Richtlinie grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausfährung des Auftrags beziehe und soziale Aspekte betreffe. Der in Rede stehende Mindestlohn gehöre auch zu dem Schutzniveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden müsse.

Betrachtet man beide Urteile zusammen, scheint es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes darauf anzukommen, ob der Auftrag tatsächlich in dem Mitgliedstaat ausgeführt werden soll, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, oder in einem anderen Mitgliedstaat mit niedrigerem Lohnniveau.

Weiterhin wird man zu diskutieren haben, wie das Verhältnis der (bundes-)länderspezifischen Vergabevorschriften zu Mindestlöhnen zum zwischenzeitlich eingeführten bundesweiten Mindestlohn rechtlich zu würdigen ist. In dem Fall, in der Arbeitnehmer einen öffentlichen Auftrag in einem Bundesland ausführen, das nicht mit dem Bundesland identisch ist, dem der öffentliche Auftraggeber angehört und in dem der vergaberechtliche Mindestlohnsatz niedriger (aber höher als der bundesweite Mindestlohn) ist, ist dies sicherlich eine interessante Rechtsfrage.

Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein ( 2 Sa 149/15)

Nach einem bisher nicht rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein vom 13.10.2015 besteht für einen Arbeitnehmer regelmäßig keine Pflicht zur sonntäglichen Leerung des Briefkastens. Dies gilt auch dann, wenn an diesem Tage eine Probezeit abläuft.

Im entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber, nämlich eine Rechtsanwaltskanzlei, eine Probezeit bis zu einem Termin vereinbart, der auf einen Sonntag fiel. In der Probezeit gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von nur zwei Wochen, danach eine längere. Das Kündigungsschreiben wurde am letzten Tag der Probezeit, nämlich am Sonntag, in den Hausbriefkasten der Arbeitnehmerin eingeworfen. Das Kündigungsschreiben muss aber der Arbeitnehmerin zugehen. Dies ist jedoch erst dann der Fall, wenn von ihr die Kenntnisnahme erwartet werden kann. Die Kündigung ist daher nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes erst nach Ablauf der Probezeit, nämlich frühestens am folgenden Montag, zugegangen, sodass das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der längeren Frist, also später als vom Arbeitgeber gewollt, endet.

Etwas Klarheit vom Bundesgerichtshof

Es ist in der Schadenregulierung bei fiktiver Abrechnung immer wieder ein Thema: Die Versicherung will nicht der Reparaturkosten einer Markenwerkstatt erstatten. Der auch für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nun durch Urteil vom 11.11.2015 (IV ZR 426/14) entschieden, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung unter bestimmten Voraussetzungen die Aufwendungen, die bei Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden, ersatzfähig sind. Der Versicherungsnehmer muss sich dann von seinem Versicherer nicht auf die niedrigeren Kosten einer "freien" Werkstatt verweisen lassen.

Nach dieser Entscheidung kann der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen dann ersetzt verlangen, wenn nur in der Markenwerkstatt eine vollständige und fachgerechte Instandsetzung seines Fahrzeugs möglich ist, ferner auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Es muss also nur eine dieser Voraussetzungen vorliegen. Dass eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist allerdings vom Versicherungsnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen.

Auch wenn diese Entscheidung in einem Kaskofall gefällt wurde, erscheint sie grundsätzlich auch auf Haftpflichtfälle übertragbar, in denen der Geschädigte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis verlangt.

Im Fahrzeug verbliebener Kraftstoff als Position beim Totalschaden

Nach einem Urteil des Amtsgerichtes Solingen vom 01.04.2015 (11 C 631/14) kann der im Tank verbliebene Kraftstoff im Falle eines Totalschadens für den durch einen Verkehrsunfall Geschädigten unbrauchbar sein, sodass dieser auch eine Schadensposition darstellt. Der Geschädigte könne nicht darauf verwiesen werden, den Kraftstoff abzupumpen, wenn der hierfür erforderliche Aufwand den Wert des Kraftstoffs überschreiten würde.

Dies dürfte nur dann gelten, wenn das Fahrzeug nicht verkehrssicher fahrbereit ist, denn andernfalls ist der Kraftstoff aufbrauchbar, was einige Fälle des sogenannten wirtschaftlichen Totalschadens ausschließt. Außerdem muss der Geschädigte in der Lage sein, die Menge des im verunfallten Fahrzeug erbliebenen Kraftstoffes einigermaßen nachvollziehbar anzugeben.

Der Gerichtshof der Europäischen Union stärkt den Datenschutz

Nach Snowdens Enthüllungen glaubte wohl nur noch jemand daran, die USA seien ein "sicherer Hafen" für unsere persönlichen Daten, der auch daran glaubt, dass der Klapperstorch die Babys bringt. Dies ließ die herrschenden Politiker jedoch unbeeindruckt.

Durch sein Urteil vom 06.10.2015 in der Rechtssache C-362/14 hat der Gerichtshof der Europäischen Union nun den Datenschutz gestärkt.

Danach können die mit einer Beschwerde befassten nationalen Datenschutzbehörden, auch wenn es eine Entscheidung der Kommission gibt, in der festgestellt wird, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleistet, prüfen, ob bei der Übermittlung der Daten einer Person in dieses Land die Anforderungen des Unionsrechts an den Schutz dieser Daten eingehalten werden, und sie können, ebenso wie die betroffene Person, die nationalen Gerichte anrufen, damit diese ein Ersuchen um Vorabentscheidung zur Prüfung der Gültigkeit der genannten Entscheidung stellen.

Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass die Existenz einer Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wird, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau für übermittelte personenbezogene Daten gewährleiste, die Befugnisse, über die die nationalen Datenschutzbehörden aufgrund der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der entsprechenden Richtlinie verfügen, weder beseitigen noch auch nur beschränken kann.

Der Gerichtshof ist dann dafür zuständig, einen Rechtsakt der Union für ungültig zu erkären.

In Ausübung dieser Kompetenz hat der Gerichtshof die Entscheidung der Kommission, in der festgestellt wird, dass die Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der sogenannten "Safe-Harbor-Regelung" ein angemessenes Schutzniveau übermittelter personenbezogener Daten gewährleisten, für ungültig erklärt.

Hierbei hat der Gerichtshof als relevant festgestellt, dass die amerikanische Safe-Harbor-Regelung nur für die amerikanischen Unternehmen gilt, die sich ihr unterwerfen, nicht aber für die Behörden der USA. Außerdem haben nach der Feststellung des Gerichtshofes die Erfordernisse der nationalen Sicherheit, des öffentlichen Interesses und der Durchführung von Gesetzen der Vereinigten Staaten Vorrang vor der Safe-Harbor-Regelung, so dass die amerikanischen Unternehmen ohne jede Einschränkung verpflichtet sind, die in dieser Regelung vorgesehenen Schutzregeln unangewandt zu lassen, wenn sie in Widerstreit zu solchen Erfordernissen stehen. Der erlaubte Zugriff von us-amerikanischen Behörden auf Daten in den USA verletze "den Wesensgehalt des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens". Die amerikanische Safe-Harbor-Regelung ermöglicht Eingriffe der amerikanischen Behörden in die Grundrechte der Personen, wobei in der Entscheidung der Kommission weder festgestellt werde, dass es in den USA Regeln gibt, die dazu dienen, etwaige Eingriffe zu begrenzen, noch, dass es einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche Eingriffe gibt, was wiederum "den Wesensgehalt des Grundrechts auf wirksamen Rechtsschutz", das dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent sei, verletze.

Zutreffenderweise hat der Gerichtshof damit den Feigenblattcharakter der sogenannten "Safe-Harbor-Regelung" entlarvt.

Ebenso erfreulich ist, dass er die Kompetenz, damit aber auch die Verantwortung der nationalen Datenschutzbehörden und Gerichte gestärkt hat, die nun nicht mehr unbesehen an Entscheidungen der Kommission gebunden sind, sondern diese kritisch prüfen können und müssen.

Mit den Alternativen zu Safe Harbor für hat sich bereits Joerg Heidrich befasst. Da der bundesdeutsche Datenschutz nicht nur bußgeldbewehrt, sondern im Falle einer "vorsätzlichen Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen", auch strafbewehrt ist, tun die Entscheidunsträger in den betroffenen Unternehmen gut daran, hierzu einen versierten Rechtsanwalt zu konsultieren.

Dies gilt umso mehr, als auch Alternativen wie EU-Standardvertragsklauseln und Unternehmensvereinbarungen rechtswidrig sein könnten.

Ein interessantes Urteil des Amtsgerichtes Stuttgart-Bad Cannstatt

Das zu besprechende Urteil des Amtsgerichtes Stuttgart-Bad Cannstatt vom 13.08.2015 (8 C 1023/15) ist nicht nur wegen seines Ergebnisses interessant.

Das Urteil enthält so zutreffende Darlegungen wie:

"Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (...). ... Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, in seinem Haushalt hätten auch sein volljähriger Bruder, sein volljähriger Cousin sowie weitere Freunde Zugriff auf seinen Internetanschluss."

Zurecht hat das Gericht auch das Bestreiten der Klägerin, dass es sich bei den tatsächlichen Einlassungen der Beklagtenvertreter um einen Vortrag des Beklagten handele, für unerheblich erachtet.

" ... der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn — wie hier — keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen (...)."

"Technisch maßgeblich ist allein, wie lange ein Musiktitel bei welcher Uploadgeschwindigkeit von dem Verletzer des Urheberrechts in der Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Diese Faktoren miteinander multipliziert ergeben die maximale Zahl der Downloads (nicht: "Zugriffe") des Titels vom Verletzer. Wie viele Einzelzugriffe in einem bestimmten — nicht nachvollziehbar begründeten — Zeitraum insgesamt registriert worden sind, ist technisch ohne Belang (...)."

"Selbst wenn die Klägerin derartige Rechte nicht mit den errechneten Quoten vertreibt, hätten vernünftige Lizenzvertragsparteien für die Nutzungsrechtseinräumung als Lizenzgebühr im Zweifel exakt 13,62 % des Ladenpreises des streitgegenständlichen Filmwerks vereinbart. Das Filmwerk hat einen Ladenpreis von 14,99 €, sodass sich die Lizenzgebühr rechnerisch auf 2,04 € belaufen würde. Ob man diese Gebühr ansetzt oder davon ausgeht, zumindest der Ladenpreis für eine Lizenz sei geschuldet, kann hier dahinstehen. ... Auch der Gegenstandswert des von der Klägerin vorgerichtlich begehrten Unterlassungsanspruches ist mit exakt diesen Beträgen zu beziffern. ... Ausgehend von einem Gegenstandswert von allenfalls 14,99 € ist schließlich auch der Gebührenanspruch des Klägervertreters für seine außergerichtliche Tätigkeit zu bewerten. ... Vor diesem Hintergrund hält das Gericht jedenfalls für die Abfassung dieser standardisierten Abmahnschreiben nur den Ansatz einer Gebühr nach Nr. 2301 VV RVG für angezeigt."

Insoweit hat dieses Urteil auch schon Beachtung gefunden.

Interessant ist auch das Fazit des Gerichts:

"Das Gericht verkennt schließlich nicht, dass seine vorstehenden Ausführungen, wenn ihnen andere Gerichte folgen würden, das Abmahnwesen im Bereich des Urheberrechts weniger lukrativ machen und schließlich die effektive Verfolgung von Urheberrechtsverstößen in Tauschbörsen beeinträchtigen mögen. Hieraus kann jedoch nicht folgen, dass tatsächlich nicht entstandene — pönale — Schäden liquidiert werden und das Fehlen der unter Richtern wenig verbreiteten technischen Kenntnisse als Vehikel hierfür genutzt wird."

Beachtlich erscheint jedoch auch ein anderer Aspekt, nämlich die Sachkunde des Richters.

Dieser beschreibt sie im Urteil so: "Der Vorsitzende war in den Jahren 2000 bis 2013 als selbständiger Softwareentwickler tätig, im Jahr 2001 war er darüber hinaus als Webdesigner beschäftigt, in den Jahren 2001 bis 2004 als angestellter Softwareentwickler und von 2001 bis 2010 als Netzwerk- und Systemadministrator angestellt."

Auf diese Sachkunde beruhen offenbar die sachkundigen Ausführungen in der Entscheidungsbegründung zum Verhalten von Tauschbörsennutzern, zu Up- und Downloadgeschwindigkeiten und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen für den Umfang einer möglichen Rechtsverletzung, der wiederum für eine nachvollziehbare Schadenschätzung maßgeblich ist.

Das deutsche Prozessrecht versucht auf vielfache Weise, Expertise in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen: Die Beteiligung von Kaufleuten in den Kammer für Handelssachen bei den Landgerichten, die Beteiligen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei den Gerichten für Arbeitssachen, die Beteiligung von Berufsangehörigen als Richter in entsprechenden Verfahren, die Einrichtung von spezialisierten Kammern und Senaten, auch konzentriert bei bei bestimmten Gerichten (z.B. auch in Urhebersachen), die Beteiligung von Laienrichtern generell.

Wenn die Gerichte die Parteien und den Sachverhalt verstehen und ihre Entscheidungen nicht "lebensfremd" werden sollen, bedarf es im digitalen Zeitalter auch Richter, die über Kenntnisse und Erfahrungen in der IT verfügen. Davon gibt es wohl leider zu wenige. Insoweit ist das Verfahen vor dem Amtsgerichtes Stuttgart-Bad Cannstatt ein Glücksfall und seine Entscheidung verdient weite Beachtung.

Drei neue BGH-Urteile zur Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörse

23.09.2015 — Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch Urteile vom 11. Juni 2015 — I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14 — drei Urteile des Oberlandesgerichts Köln bestätigt. Dieses wiederum hatte "führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen" Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des Vorwurfs des Filesharing zugesprochen.

Diese Urteile (Tauschbörse I bis III genannt) werden seit einiger Zet von Rechtsanwälten in Feld geführt, die sich mit Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen befassen. Leider wurden diese Urteile bislang nicht im Volltext veröffentlicht, sodass man ihren Inhalt aus der Mitteilung der Pressestelle erschließen muss.

Unter diesem Vorbehalt enthalten die Urteile des Bundesgerichtshofes wenig Neues und stellen eher eine Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung dar. Zwei Punkte sind zu erwähnen.

Laut Pressemitteilung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, aufgrund der von den Klägerinnen bewiesenen Richtigkeit der Ermittlungen stehe fest, dass die Musiktitel über die den Beklagten als Anschlussinhabern zugeordneten Internetanschlüsse zum Herunterladen bereitgehalten worden sind. Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen auch Fehler vorkommen können, spreche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen.

Dies bedeutet, dass auch weiterhin der Abmahnende die Richtigkeit seiner Ermittlungen zur Überzeugung des Tatsachengerichtes darzulegen und zu beweisen hat; es reicht lediglich der Hinweis auf die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen auch Fehler vorkommen können, zur Erschütterung dieses Beweises nicht aus. Weiterhin hat der Inanspruchgenommene jedoch die Möglichkeit, konkrete Fehlerquellen ins Feld führen, um die Überzeugungskraft der Darlegungen des Anspruchsstellers zu erschüttern.

Ferner ging es um Belehrung eines minderjährigen Kindes.

Weiterhin genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt. Insoweit hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung bestätigt.

Allerdings reicht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes der Umstand, dass der Inanspruchgenommene lediglich allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" für die Kinder aufgestellt haben mag, insoweit laut Pressemitteilung nicht aus.

Eltern ist daher zu raten, die notwendige Belehrung und das Verbot einer Teilnahme an Internettauschörsen ihren Kindern nicht nur "bundesgerichtshofskonform" zu erteilen, sondern diese Belehrung und das Verbot und den Inhalt ihrer Erklärungen möglichst auch zum späteren Nachweis zu protokollieren. Sonst haften am Ende Eltern für ihre Kinder als "Störer".

Dass die meisten Eltern, "wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt", mangels hinreichender technischer Kenntnisse außer Stande sein dürften, "die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren", steht auf einem anderen Blatt. Dort steht vielleicht auch, ob es bevölkerungspolitisch klug und dem von der Verfassung gebotenen Schutz der Familie konform ist, Eltern das Leben mit ihren Kindern in der digitalen Gesellschaft zugunsten der Contentindustrie zu erschweren, indem man ihnen zur Meidung von Schadenersatzpflichten wenig lebensnahe Pflichten auferlegt.

Neues Urteil zur GPLv3

23.09.2015 — Im letzten Jahr habe ich in der Jubiläumsausgabe des Linux-Magazins einen Aufsatz zum Thema zwanzig Jahre Rechtsgeschichte rund um Freie Software in Deutschland unter dem Titel "Recht und Freiheit" veröffentlicht. Dieser ist seit einiger Zeit auch online lesbar.

Doch die Rechtsentwicklung steht nicht still.

Jüngst hatte sich das Landgericht Halle in einem Urteil vom 27.07.2015 (4 O 133/15) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes mit der Wiederholungsgefahr bei einem Verstoß gegen GPLv3 befassen müssen.

Die Verfügungsbeklagte, eine Hochschule, stellte eine entsprechende lizensierte Software auf ihrer Homepage seit dem Jahre 2010 ihren Mitarbeitern und Studierenden zum Herunterladen zur Verfügung, ohne jedoch dem betreffenden Nutzer vor dem Herunterladen des Programms zugleich den Lizenztext zur Kenntnis zu geben und ohne ihm den vollständigen korrespondierenden Quellcode lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen oder auf einem üblichen Datenträger zu die Herstellung der Kopie nicht übersteigenden Kosten zur Verfügung zu stellen.

So weit, so schlecht. Aber das ist eigentlich reparierbar.

Schriftlich wurde dann die lizenzwidrige Verwendung des Programms beabstandet und vom Rektor der Hochschule Auskunft über die bisherige Nutzung der Software gefordert, sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verlangt. Dies aber lehnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihres Kanzlers ab, sodass eine gerichtliche Klärung notwendig wurde.

Die Verfügungsbeklagte machte vor Gericht geltend, in Ziffer 8 Abs. 3 de GPLv3 sei doch geregelt, dass die Lizenz nach einem erstmaligen Verstoß permanent wieder hergestellt werde, wenn die Verletzung innerhalb von dreißig Tagen ab dem Eingang des Hinweises des Urheberrechtsinhabers auf den Verstoß eingestellt werde. Dies sei hier der Fall gewesen, da die streitgegenständliche Software nach Bekanntwerden des Abmahnschreibens fristgerecht von der Homepage der Hochschule genommen worden sei. Vor diesem Hintergrund mache der geltend gemachte Unterlassungsanspruch keinen Sinn und sei treuwidrig.

Dieser interessanten Rechtsauffassung folgte das Gericht erfreulicherweise nicht

Es bezog sich zunächst auf die höchstrichterliche Rechtsprechung nach der zum Beispiel weder die Betriebseinstellung oder Umstellung der Produktion auf eine andere Ware noch die rechtsverbindliche Erklärung des Verletzers, er werde Zuwiderhandlungen künftig unterlassen, die Wiederholungsgefahr beseitigen. Das Gericht erkannte unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, dass die Herausnahme der streitgegenständlichen Software von der Homepage der Verfügungsbeklagten wie auch die Erklärung des Kanzlers, es sei eine strategische Anweisung der Verfügungsbeklagten gewesen, die streitgegenständliche Software vom Netz zu nehmen und künftig nicht mehr zu verwenden, nicht ausreichend waren, die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Denn während die Herausnahme der Software lediglich einen tatsächlichen Vorgang darstelle, den die Verfügungsbeklagte jederzeit rückgängig machen könnte, fehle es der Erklärung des Kanzlers der Verfügungsbeklagten an der nötigen rechtlichen Absicherung, die nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Verfügungsbeklagten möglich sei.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten stehe dem geltend gemachten Anspruch auch Ziffer 8 Abs. 3 der GPLv3 nicht entgegen. Denn durch diese Regelung werde dem erstmaligen Verletzer zwar die weitere Nutzung der Lizenz eingeräumt, wenn dieser die Verletzung innerhalb von dreißig Tagen nach dem Eingang eines entsprechenden Hinweises einstellt. Diese Einräumung des Rechts der weiteren Nutzung der Lizenz sei jedoch nicht dahingehend auszulegen, dass der Lizenzgeber damit zugleich auch auf seinen Rechtsanspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den (Erst-)Verletzer verzichten wollte. Denn auch wenn der Lizenzgeber dem Verletzer insoweit eine „zweite Chance“ auf Nutzung der Lizenz gebe, so habe er doch andererseits ein schützenswertes Interesse daran, bereits nach dem ersten Rechtsverstoß weiteren Rechtsverstößen nachhaltig vorzubeugen.

Wäre die durch die Verfügungsbeklagte vorgenommene Auslegung richtig, so käme dies einer Einladung an jeden Lizenznehmer gleich, gegen die Lizenzbedingungen zu verstoßen im sicheren Wissen, dass er erst beim zweiten entdeckten Verstoß mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung oder gerichtlichen Verurteilung zur Unterlassung rechnen müsste. Bei interessensgerechter Auslegung von Ziffer 8 Abs. 3 der GPLv3 stelle sich daher weder die vorprozessual erfolgte Abmahnung der Verfügungsbeklagten noch die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als sinnlos oder treuwidrig dar.

Die Hochschule konnte also den Folgen ihrer Lizenzverletzung weder durch Rabulistik, noch dadurch entgehen, dass sie die Software künftig ihren Mitarbeitern und Studierenden nicht mehr zum Download anbieten wollte.

Allerdings könnten "Bedenkenträger" aus diesem Urteil falsche Schlüsse herleiten. Die Bedingungen der GPLv3 sind klar und eigentlich auch, sofern man einen Lizenzvertrag ernst nimmt und sich um rechtstreues Verhalten bemüht, vom Lizenznehmer eigentlich einfach zu erfüllen. Da fordern die Lizenzbedingungen, unter denen manche propritäre Software vertrieben wird, ein weit höheres Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt.

"Recht und Freiheit"

08.07.2015 — Unter dem Titel "Recht und Freiheit" habe ich eine Aufsatz für das Heft zum zwanzigjährigen Jubiläum des Linux-Magazins (Heft 10/2014) geschrieben.

Dieser Artikel, der die Rechtsgeschichte Freier Software in Deutschland behandelt, wurde nun auch planmäßig im WWW veröffentlicht und kann von jedermann gelesen werden.

Lizenzmanagement — Alles im "grünen"Bereich oder Alarmstufe "rot"?

lautet das Thema eines Abends, der am 26.02.2015 von der "XING Gruppe Düsseldorf" und der XING-Gruppe "IT-Connection" veranstaltet wurde. Es handelte ich um eine Kooperation zweier befreundeter Xing-Gruppen.

Die zu diskutierende Frage lautete: Ist Ihr Unternehmen in Sachen Softwarelizenzmanagement richtig aufgestellt?

Johannes Balzer, Senior Consultant SAM Services and Operations bei Crayon, referierte zum Thema "Audit, Risiko oder Chance". Bernd Löschner, Leiter CC License Services bei MT AG, referierte über "SAMT " Software-Asset-Management".

Man erfuhr viel Interessantes zum Thema Softwarelizenzaudit.

Klar ist, dass die Hersteller von proprierärer Software dieses Instrument in erster Linie zur Generierung weiteren Umsatzes einsetzen. Dabei kommt ihnen zupass, dass die Verwaltung von Softwarelizenzen bei professionellem Einsatz in den letzten Jahren sehr komplex geworden ist. Hierzu hat nicht nur der technische Fortschritt in Gestalt von Cloud Computing und Virtualisierung beigetragen. Sondern es erschweren auch neue Nutzungsmodelle von unterschiedlichen Herstellern ein effektives Lizenzmanagement durch IT-Anwender und -Verantwortliche.

Zu welcher Verwirrung dies führen kann, berichtete ein Teilnehmer. Ein Vertriebler eines Datenbankherstellers konnte den Verantwortlichen eines mittelständischen Unternehmens mit dem Argument, die Software werde in ja in einem Unternehmen eingesetzt, dazu bewegen, die recht kostspielige "Enterprise"-Lizenz zu erwerben. Allein aufgrund des Aufwandes der mit dem Betrieb dieses Datenbankmanagementsystems verbunden ist, dürfte dieses aber wohl kaum für die häusliche Verwaltung von Briefmarkensammlung Verwendung finden, sodass dieses System wohl nahezu ausschließlich in Betrieben und Verwaltungen und dort auch mit günstigeren Lizenzen eingesetzt wird.

Teilnehmer wunderten sich darüber, wieso die Softwarehersteller "einfach so" in ihr Unternehmen eindringen und dieses untersuchen können. Ihnen musste erklärt werden, dass sie dieses Recht als Unternehmer, die nicht unter dem Schutz verbraucherschützender rechtlicher Regelungen stehen, vertraglich dem Softwarehersteller eingeräumt haben. Die Alternative zum Besuch des Auditteams desselben ist der Besuch durch Strafverfolungsbehörden, denn das Urheberrecht ist strafbewehrt.

Bisher dachte ich, die Verwaltung proprietärer Softwarelizenzen würde "nur" den Aufwand eines Lizenzmanagements erfordern. Dieses Bild war jedoch, wie an diesem Abend deutlich wurde, ziemlich unvollständig. Wegen der Komplexität der Verwaltung von Softwarelizenzen bei professionellem Einsatz drohen dem Anwender nach einem Audit hohe Nachzahlungen und Vertragsstrafen. Auch können sich im schlimmsten Falle (zivil- und straf-)rechtliche Konsequenzen für Unternehmensverantworliche ergeben.

Zur Meidung oder zumindest Minderung dieser zu erwartenden Auditfolgen kann zwar vorher externe Beratung eingeholt werden, was aber wiederum Kosten verursacht. Zwar kann eine solche Beratung möglicherweise auch zukünftig Lizenzkosten einsparen. Aber dann hat man in der Vergangenheit zuviel gezahlt, ohne dass diese "ungerechtfertigte Bereicherung" des Softwareherstellers kondiziert werden kann. Man hatte ja "nur" den falschen Lizenzvertrag abgeschlossen, und "pacta sunt servanda".

Hinzu kommen noch interne Auditkosten, denn zur tunlichen Betreuung der Auditoren ist sachkundiges Personal abzustellen.

Diese wiederkehrenden Kosten dürfen bei der Berechnung der Total Cost of Ownership nicht außer Acht gelassen werden.

Die "Erfindung" neuer Nutzungsmodelle seitens der Hersteller proprietärer Software und deren Durchsetzung bei zeitlich befristeter Lizenzierung raubt dem professionellen Anwender Planungssicherheit. Insoweit kann das bei proprietärer Software meist gegebene Vendor-Lock-in nicht von Anfang an ersichtliche, erhebliche finanzielle Auswirkungen für den Anwender haben.

Wer als professioneller Anwender Softwarelizenzaudits und deren Risiken, Nebenwirkungen und Folgen vermeiden will, tut also gut daran, Freie Software einzusetzen. Dann hat er auch keine diesbezüglichen Complianceprobleme.

Diese Beitrag wurde in etwas erweiterter Form zunächst in meinem Blog veröffentlicht.

Pornopranger

20.08.2012 — Laut Pressebericht planen notorische "Abmahnanwälte" einen sogenannten "Pornopranger". Sie wollen eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die ihnen Mandat erteilt wurde oder Mandat erteilt ist, auf ihrer WWW-Seite veröffentlichen. Bekannt ist, dass zu den Mandanten der Kanzlei auch Personen gehören, die Rechte an Werken behaupten, die landläufig als Pornographie qualifiziert werden, und die Mandate gegen angebliche Filesharer erteilt haben.

Der eine und andere Kollege hat gegen diese Vorgehensweise schon einmal rechtliche Bedenken angemeldet. Möglicherweise wird die Angelegenheit dann aus Rechtsgründen zum Bumerang für die Kollegen "Abmahnanwälte".

Aber auch in tatsächlicher Hinsicht könnte "dieser Schuss nach hinten losgehen". Böte eine solche Liste doch den "Abmahnopfern" eine sehr gute Gelegenheit sich zu vernetzen und ihren Anwälten damit die Möglichkeit koordinierter Verteidigung. Insoweit ist es fast schade, dass die abmahnenden Kollegen wohl nicht die Absicht haben, auch noch die jeweiligen Gegenanwälte aufzulisten.

Dann hätten die abmahnenden Anwälte letztlich ihren Mandanten einen "Bärendienst erwiesen".

Gebrauchte Software darf verkauft werden

03.07.2012 — Nach der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen erschöpft sich das Recht zur Verbreitung einer Programmkopie in der Europäischen Union mit dem Erstverkauf dieser Kopie durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung. Damit verliert der Rechtsinhaber, der eine Kopie in einem Mitgliedstaat der Union vermarktet hat, die Möglichkeit, sich auf sein Verwertungsmonopol zu berufen, um sich dem Weiterverkauf der Kopie zu widersetzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied nun, dass dies nicht nur dann gilt, wenn der Urheberrechtsinhaber die Kopien seiner Software auf einem Datenträger vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch die Möglichkeit des Herunterladens von seiner Internetseite verbreitet. Dies gilt unabhängig davon, was der Urheberrechtsinhaber in seine Lizenzbedingungen schreibt.

Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden nämlich eine Kopie zur Verfügung und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht. Durch ein solches Geschäft wird námlich das "Eigentum" an dieser Kopie übertragen. Somit kann sich der Rechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen.

Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, eine (Volumen-)Lizenz aufzuspalten und teilweise weiterzuverkaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt. Außerdem muss der ursprüngliche Erwerber einer Programmkopie, an der das Verbreitungsrecht des Erwerbers erschöpft ist, die auf seinen Computer heruntergeladene Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar machen.

Jegliche Probleme kann man sich ersparen, wenn man Freie Software einsetzt. Die darf man nämlich aufgrund ihrer Lizenz beliebig kopieren und weitergeben, sogar gegen Entgelt.

"Anwaltsgeheimnis und Outsourcing"

19.04.2012 — "Anwaltsgeheimnis und Outsourcing" hat der Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Bräutigam aus München das Editorial des Heftes 17/2012 der Neuen Juristischen Wochenschrift, einer "Pflichtlektüre" für alle Juristen, überschrieben. Es ist gut, dass nun dieses Problem im "Mainstream" angekommen ist.

Gleich eingangs stellt er fest, dass das Anwaltsgeheimnis ein hohes Gut ist, welches sowohl durch das anwaltliche Berufsrecht, als auch durch das Strafrecht geschützt wird. Jedoch ist die Entwicklung festzustellen, dass Anwaltskanzleien ganze Tätigkeitsbereiche an Dritte auslagern. Dies gilt vor allem auf dem Gebiet der IT.

Zutreffend stellt Prof. Dr. Bräutigam fest, dass all diese Outsourcing-Maßnahmen sich nur schwer mit der geltenden Rechtslage vertragen. Die Auslagerung von Arbeitsabläufen bei Rechtsanwälten ist zumindest eine rechtliche Grauzone. Daher sollen Gesetze geändert werden.

Zu bedenken ist meiner Ansicht nach dabei aber, dass das Anwaltsgeheimnis zu den wesentlichen Errungenschaften des Rechtsstaats gehört, weil der Mandant seinem Anwalt vertrauen können muss — auch was dessen Verschwiegenheit angeht. Der Geheimnisschutz ist daher im Bereich der anwaltlichen Berufsausübung besonders weitreichend.

Daher sollte man allen Vorschlägen eine Absage erteilen, die die Kenntnisnahme von Informationen aus dem Bereich der anwaltlichen Berufsausübung durch Personen erlauben, deren Verschwiegenheitspflicht nicht in gleicher Weise strafbewehrt ist, wie die des Anwalts und seiner "berufsmäßig tätigen Gehilfen", also Angestellten, die dem Weisungsrecht des Anwalts unterliegen. Jeder, der mit Informationen aus dem Bereich der anwaltlichen Berufsausübung in Berührung kommt, muss bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gleichen strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt sein. Im Interesse des Rechtsstaats darf es insoweit kein "Zwei-Klassen-Recht" geben.

In meiner Kanzlei übrigens ist die IT "Chefsache" — Zugang zu den Daten haben stets nur ich und meine Mitarbeiter(innen) gehabt — und das soll auch so bleiben!

Virtuelle Mitgliederversammlung

16.02.2012 — Das Oberlandesgericht Hamm entschied durch Beschluss vom 27.09.2011 (I-27 W 106/11), dass ein Verein durch seine Satzung regeln kann, dass eine Mitgliederversammlung auch virtuell (online) durchgeführt werden kann.

Dies entspricht auch der herrschenden Ansicht in der juristischen Literatur, der sich der erkennende Senat anschloss. Das zuständige Amtsgericht war noch anderer Auffassung gewesen.

Für die Zulässigkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung spricht nach Auffassung des Oberlandesgerichtes auch, dass nach dem neu gefassten § 118 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 des Aktiengesetzes Aktionäre auch ohne Anwesenheit am Ort der Hauptversammlung im Wege elektronischer Form ihre Rechte wahrnehmen und ihre Stimme abgegeben können. Eine entsprechene Regelung gibt es auch, worauf der Senat ebenfalls hinweist, für Genossenschaften.

Weder aus dem Wortlaut noch der Systematik des Gesetzes ergibt sich nach Ansicht des Oberlandesgerichtes, dass eine Versammlung eine räumliche Zusammenkunft erfordert.

Für unerheblich erachtet es auch den Einwand, dass im Falle einer Onlineversammlung die Geschäftsfähigkeit der Mitglieder nicht eindeutig festgestellt werden kann. Soweit es keine entgegenstehenden Anhaltspunkte gibt, könne der Versammlungsleiter von der Geschäftsfähigkeit der Vereinsmitglieder ausgehen. Es sei nicht erforderlich, dass diese vor jeder Versammlung erneut geprüft wird. Auch im Falle einer schriftlichen Zustimmung nach § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat nämlich der Versammlungsleiter keinen persönlichen Eindruck vom Vereinsmitglied.

Die Satzung sah vor, dass die Mitgliederversammlung in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chat-Raum durchgeführt werden. Das nur für die aktuelle Versammlung gültige Zugangswort wird erst mit einer gesonderten E-Mail unmittelbar vor der Versammlung bekannt gegeben. Allen Mitgliedern wird die Verpflichtung auferlegt, ihre Legitimationsdaten und das Zugangswort keinem Dritten zugänglich zu machen und unter strengem Verschluss halten.Durch die Zugangsbeschränkungen mittels Passwort wird nach Ansicht des Oberlandesgerichtes gewährleistet, dass nur Vereinsmitglieder an der Versammlung teilnehmen.

Neben der virtuellen Mitgliederversammlung sah die Satzung auch als Alternative eine "reale" vor.


Abmahnindustrie im Gegenwind

14.01.2012 — Sogenannte Abmahnanwälte erfreuen sich in gewissen Kreisen einer besonderen Wertschätzung; in anderen Bevölkerungskreisen einer eher ganz anderen Wertschätzung. Sie selbst sehen sich wohl als Kämpfer für die Gerechtigkeit und Rächer der Enteigneten — eine Einschätzung, die nicht von jedermann geteilt wird.

Zwei Entscheidungen rheinischer Oberlandesgerichte dürften auf das Interesse Abgemahnter und ihrer Rechtsanwälte stoßen.

Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Düsseldorf erging im Prozesskostenhilfeverfahren (I-20 W 132/11). Das Gericht gab dem Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten statt.

Dass das Oberlandesgericht die zur Beurteilung anstehende Abmahnung als "eine völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung" qualifiziert und daher einen Ersatzanspruch hinsichtlich der Kosten hierfür für nicht begründet erachtet, erregt Aufmerksamkeit. Interessant sind aber einige Ausführungen zur Begründung dieses Verdikts.

Diejenigen, die zur Abgabe modifizierter Unterlassungserklärungen raten, sollten dabei bedenken, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes ausführt, dass vom Unterlassungsgläubiger vorformulierte Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärungen den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterfallen.

Ferner führt das Gericht aus, dass das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen alleine noch keinen Urheberrechtsverstoß darstelle. Nicht jedes Angebot einer Audiodatei zum Herunterladen verletze fremde Urheberrechte. Die Dateien könnten gemeinfrei oder mit einer allgemeinen Lizenz versehen sein. So sei es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass Interpreten ihre Stücke zur freien Verbreitung in das Internet einstellen. Zudem sei das Urheberrecht ein Ausschließlichkeitsrecht. Es sei jedem Inhaber von Urheberrechten selbst überlassen, ob er seine Rechte im konkreten Fall ausübt oder ob den Verletzer gewähren lässt. Ein Dritter könne diese Rechte nicht geltend machen. Entscheidend sei allein, ob und an welchen Titeln den Klägerinnen Rechte zustehen. Dies haben sie darzulegen, auch schon in der Abmahnung.

Wichtig sind aber vor allem die Ausführungen des Oberlandesgerichtes am Anfang der Gründe des Beschlusses zur Darlegungslast, die vom Landgericht Düsseldorf als Vorinstanz wohl verkannt worden ist.

Das Oberlandesgericht legt dar: "Die Beklagte ist nicht gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die IP-Adresse ... und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten."

Die Beklagte habe nämlich keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des "Onlineermittlers" und des Internetproviders. Die weitere Substantiierung des Klägervortrags sei für die Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen irrelevant.

Das Oberlandesgericht Köln befasst sich in einem Hinweisbeschluss im Verfahren 6 U 67/11 mit der Höhe des Schadens, der dem Rechteinhaber durch Filesharing entsteht.

Durch einen Hinweisbeschluss teilt das Gericht den Parteien seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage mit, um ihnen Gelegenheit vor allem zu ergänzendem Sachvortrag, zu weiteren Rechtsausführungen oder prozessualen Handlungen zu geben.

Das Oberlandesgericht gab den Parteien folgenden Hinweis: "Der Senat wird sich bei seiner Entscheidung im Ausgangspunkt mangels besser geeigneter Grundlagen an dem GEMA-Tarif orientieren, der dem zu beurteilenden Sachverhalt am ehesten nahekommt. Das dürfte nicht der von den Klägerinnen angeführte Tarif VR W I sein. Dieser betrifft, soweit hier von Interesse, Hintergrundmusik insbesondere im Bereich der Werbung, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt wird, und setzt eine Mindestlizenz von 100 € für bis zu 10.000 Abrufe an. Im vorliegenden Verfahren geht es indes weder um Hintergrundmusik noch um bloßes Streaming. Vielmehr soll der Schaden abgegolten werden, der den Klägerinnen dadurch entstanden ist, dass die geschätzten Werke Dritten in unbekannter Zahl zum Download zur Verfügung gestellt worden sind. Dem entspricht aus Sicht des Senats im Ausgangspunkt die Zugrundelegung des Tarifes VR-OD 5, der die Nutzung einzelner Titel auch durch Download aus dem Internet zum Gegenstand hat und der für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zu 5 Minuten von einer Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff auf den einzelnen Titel ausgeht."

Aber es kommt noch mehr auf die klagende Partei zu:

"Die Schätzung des — über einen ohne weiteres zugrunde zu legenden, aber notwendig geringen Mindestschaden hinausgehenden — Schadens setzt weiter voraus, dass die Klägerinnen vortragen, wie viele Zugriffe auf den Rechner der Beklagten zum Zweck des Downloads der streitgegenständlichen Titel erfolgt sind oder zumindest doch, in welcher Größenordnung nach ihren Ermittlungen bei Titeln der in Rede stehenden Art Upload-Angebote von an der Tauschbörse Beteiligten erfolgen bzw., wie sich diese Zahlen im fraglichen Zeitraum entwickelt haben.

Es wird dann weiter Folgendes zu berücksichtigen sein: Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar — wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen — einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine — aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende — vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein. Auch dieser Gesichtspunkt spricht im übbrigen gegen die Zugrundelegung des von den Klägerinnen favorisierten GEMA-Tarifes, weil dieser ohne weiteres bis zu 10.000 Zugriffe zugrundelegt."

Da werden die Klägerinnen viel vorzutragen haben, wenn sie weiterhin mehr als den "notwendig geringen Mindestschaden" geltend machen wollen.

Beide Entscheidungen sind keine endgültigen Urteile in der Hauptsache. Es wird interessant sein, ob die Abmahnindustrie es auf entsprechende Entscheidungen in der Hauptsache, die in Juristenkreisen ein größeres Interesse finden und, wenn wohlbegründet, eine höhere Wertschätzung erfahren, ankommen lassen wird.

Impressumspflicht auch in sozialen Netzwerken

19.11.2011 — Die Impressumspflicht, nunmehr gemäß § 5 TMG ist ein "Tummelplatz " für Juristen.

Nunmehr hat das Landgericht Aschaffenburg in einer Entscheidung, die in einem Eilverfahren erging (2 HK O 54/11), ein neues "Spielfeld" eröffnet.

Danach müssen die Pflichtangaben nach § 5 TMG auch auf Profilseiten auf "Social Media Plattformen " (im entschiedenen Fall facebook) leicht erkennbar und unmittelbar erreichbar zur Verfügung gestellt werden. Die Pflichtangaben müssen einfach und effektiv optisch wahrnehmbar sein. Sie müssen ohne langes Suchen auffindbar sein. Dies gilt auch bei einem Link auf das Impressum des eigenen WWW-Auftritts.

Sollte diese Rechtsprechung Bestätigung finden, ist mit einer neuen Abmahnwelle zu rechnen.


Erstattungsfähigkeit einer Auslobungsprämie nach "Unfallflucht"

22.10.2011 — Das Entfernen des Unfallverursachers vom Unfallort vor Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ist nicht nur strafbar, sondern vor allem für den Geschädigten auch prekär.

Im Fall, den das Amtsgericht Lemgo zu entscheiden hatte, stellte die Klägerin eine Beschädigung des Zaunes auf ihrem Grundstück auf einer Länge von 7,50 Metern fest, die darauf zurückzuführen war, dass der unbekannte Fahrer eines Kraftfahrzeugs gegen den Zaun gefahren war. Der Schaden in der Zaunanlage betrug etwa 1.200 €.

Die Geschädigte setzte zunächst eine Belohnung von 500,00 € für einen zutreffenden Täterhinweis aus, die sie dann auf auf 2.000,00 € erhöhte. Später einigte sie sich mit dem Informanten auf die Zahlung von 1.000 €, die sie durch ihre Klage ersetzt verlangt.

Im Urteil vom 20.10.2010 — 20 C 192/10 — hat das Amtsgericht der Klägerin den Ersatz der Auslobungsprämie in Höhe von lediglich 200 € zugesprochen.

Es führte zunächst aus, dass solche Schäden zu ersetzen seien, die ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. In der Rechtsprechung sei auch anerkannt, dass auch Belohnungen, die dafür erbracht werden, dass der Gläubiger Kenntnis von den zur Durchsetzung seines Ersatzanspruchs erforderlichen Umständen (wie etwa der Person des Schuldners) erlangt, zum ersatzfähigen Schaden zählen.

Allerdings müssten sie sich aber in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe des sonstigen Schadens halten. Hierfür bezog sich das Amtsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Erstattung der "Fangprämie" bei Ladendieben. Das Amtsgericht hielt im entschiedenen Fall eine Auslobungsprämie in Höhe von 200 € für angemessen.


Oberlandesgericht Hamm: Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht der grundrechtlichen Interessenlage

12.10.2011 — In einem Beschluss (v. 03.08.2011 — I-3 U 196/10), welcher in einem Berufungsverfahren ergangen ist, hat das Oberlandesgericht Hamm interessante Ausführungen gemacht.

Es ging um eine beanstandete Äußerung eines anonymen Nutzers auf einer Internetpräsenz, auf der Bewertungen der Tätigkeiten der Angehörigen eines bestimmten freien Berufs veröffentlicht werden.

Das Oberlandesgericht hat zunächst festgestellt, dass einem Auskunftsanspruch gegen den Betreiber der Webseite auf Daten, die zur Ermittlung der Identität des Posters dienen können, die eindeutige Wertung des Gesetzgebers in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG entgegensteht, wonach ein Dienstanbieter — wie hier der Webseitenbetreiber — die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke kann ein solcher Auskunftsanspruch auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 809 BGB oder aus § 242 BGB hergeleitet werden.

Das Oberlandesgericht führt dann weiter aus, dass die für das Internet typische anonyme Nutzung zudem auch der grundrechtlichen Interessenlage entspricht, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden. Insoweit bezieht sich das Gericht auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes in einer Zivilsache.

Interessant sind auch die Ausführungen zur Abgrenzung von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen.

Gerne werden von denjenigen, die sich in ihrer Ehre gekränkt sehen, aus einer zusammenhängenden Meinungsäußerung einzele Passagen isoliert, die dann als Tatsachenbehauptungen qualifiziert werden, um der Gegenseite den "Wahrheitsbeweis" aufzuerlegen. Dem schiebt das Oberlandesgericht einen gewissen Riegel vor.

Es qualiiziert nämlich die beanstandete Bewertung insgesamt als eine Meinungsäußerung, auch wenn sie einen Tatsachengehalt aufweist, mit dem sich die Meinungsäußerung vermengt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG greift unabhängig davon ein, ob die Äußerung zugleich einen tatsächlichen Kern aufweist, denn der Schutzbereich des Grundrechts erstreckt sich auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wobei sich das Oberlandesgericht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beruft.

Maßgeblich für die Abgrenzung, ob es sich um ein Werturteil oder um eine Tatsachenbehauptung handelt, ist nach dieser Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm das Verständnis eines durchschnittlichen und verständigen Empfängers der Äußerung.

Es bleibt abzuwarten, ob diese äußerungsfreundliche Hammer Rechtsprechung in anderen Gerichtsbezirken Schule macht.


Bundesfinanzhof: Zivilprozesskosten können außergewöhnliche Belastungen sein

10.10.2011 — Viele empfinden das Führen eines Rechtsstreits subjektiv als "außergewöhnliche Belastung", vor allem, wenn er dann verloren geht. Aber sind die Kosten eines verlorenen Rechtsstreits auch eine "außergewöhnliche Belastung" im Sinne des Steuerrechts?

Zivilprozesskosten können außergewöhnliche Belastungen und damit nach § 33 EStG abziehbar sein, hat nun der Bundesfinanzhof unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden (Urteil vom 12.5.2011 — VI R 42/10).

Danach können Zivilprozesskosten Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkenne, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient, regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Die Parteien würden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Zivilprozesskosten erwüchsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig-

Der Steuerpflichtige müsse, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit stehe nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, werde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, sei "riskant". Denn nur selten finde sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb biete die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

Weise Worte eines obersten Gerichtes!

Allerdings hat der Bundesfinanzhof einige Einschränkungen gemacht.

Als außergewöhnliche Belastungen seien Zivilprozesskosten nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er müsse diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider —auch des Kostenrisikos— eingegangen sein. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reiche nicht aus. Der Erfolg müsse mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies sei im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen.

Zivilprozesskosten seien auch nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung seien im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen.

Bereits die erste Einschränkung dürfte zu neuen Herausforderungen für Finanzämter und -gerichte führen, die nunmehr die Erfolgsaussichten in einem (verlorenen) Zivilprozess zu quantifizieren haben, was bereits den Fachgerichten im Rahmen des § 114 der Zivilprozessordnung nicht immer zweifelsfrei gelingt. Es ist daher zu befürchten, dass hieraus weitere "außergewöhnliche Belastungen" für den Steuerbürger resultieren können.

Streck ist mit guten Gründen darüber hinaus der Auffassung, dass sich diese Entscheidung auf alle Gerichtsbarkeiten und alle Kosten der Streitschlichtung übertragen lasse (NJW-Editorial Heft 41/2011). Dort kann jedoch die Frage der Angemessenheit, beispielweise der Gebühren, die von Strafverteidigern regelmäßig gefordert werden, interessante Fragen aufwerfen.

16.02.2012 — Update: Unter dem Titel "Wiedergeburt des Nichtanwendungserlasses" berichtet Kinzl (NJW-Editorial Heft 7/2012), das Bundesministerium der Finanzen habe u.a. diese Entscheidung zum Gegenstand eines sogenannten "Nichtanwendungserlasses" gemacht. Dies hat zur Folge, dass die Finanzämter dieser Entscheidung nicht folgen und die Anerkennung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen verweigern werden. Der Steuerbürger muss daher in entsprechenden Fällen hierum vor den Finanzgerichten kämpfen. Dass gegen derartige Nichtanwendungserlasse verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, hat nur zu einer kurzfristigen Einsicht beim Bundesministerium der Finanzen geführt, wie Kinzl ebenfalls berichtet.


Neues zum Schadensmanagement

04.10.2011 — Das sogenannte Schadensmanagement treibt neue Blüten.

Über das Gebaren der Haftpflichtversicherer habe ich schon berichtet. Die deutsche Anwaltschaft wendet sich bereits seit Jahren mit Nachdruck gegen das sogenannte Schadensmanagement der Versicherer. Gleichwwohl lassen sich die Haftpflichtversicherer immer wieder im Streben nach Kostenersparnis durch Reduktion der Befriedigung der Unfallopfer Neues einfallen,

Ein sehr großer deutscher Versicherer versucht dies nun durch eine Kooperation mit Werkstätten, denen eine "schnelle und unkomplizierte Schadenabwicklung" versprochen wird, wenn sie im Gegenzug dazu beitragen, "Störfaktoren" wie unabhängige Sachverständige und Rechtsanwäte im Schadensregulierungsbereich auszuschalten.

In den Verträgen, die er mit den Werkstätten schließt, heißt es demgemäß:
"Der Kunde hat im Kraftfahrt-Haftpflichtfall weiterhin das Recht, einen Rechtsanwalt und/oder freien Sachverständigen hinzuzuziehen, wenn er das ausdrücklich möchte. Die Abwicklung erfolgt dann wie bisher nicht im Rahmen von FairPlay."

Was hieran "fair" sein soll, entzieht sich dem Verständnis; der Deutsche Anwaltverein (DAV), vor allem der Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht, der einen Prozess angestengt, halten dies für unlauter, weil die "Partner"-Werkstätten einerseits aufgrund des Reparaturauftrages den Interessen des Kunden zu dienen haben, aber anderseits "hinter dem Rücken" ihres Kunden, des Unfallopfers, mit der gegnerischen Versicherung kollaborieren. (s.a. NJW-aktuell Heft 40/2011, S. 10).

Nach dem Gesetz ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.
(§ 3 Absatz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung) Jedermann hat das Recht, sich seines Rates zu bedienen (s. § 3 Absatz 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung) In Unfallsachen hat regelmäßig die gegnerische Haftpflichtversicherung das Anwaltshonorar als Teil des Schadenszu übernehmen.

Daher gilt weiterhin: Nach einem Unfall sofort zum Anwalt!.

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